Geschichte + Werkstatt? Was macht die Berliner Geschichtswerkstatt?

Seit über zwanzig Jahren existiert dieser Verein. Aus dem Zeitgeist der Studentenbewegung bzw. der Folgejahre entstand die Idee, nicht nur die Geschichte, wie sie allgemein gelehrt wird, sondern auch die der "kleinen Leute" zu dokumentieren und einem breiten Publikum vorzustellen. Die damit verbundene Spurensuche, das Sammeln der historischen Zeugnisse und - das Wichtigste - die Präsentation der Ergebnisse und neuen Erkenntnisse erinnert an einen Arbeitsvorgang in einer Werkstatt.

Wer sind die Mitglieder dieses Vereins? Es sind geschichtlich Interessierte aus unterschiedlichen beruflichen Bereichen, die sich dem o. g. Ziel verbunden fühlen und viel persönliches Engagement eingebracht haben. Sie sind alle auf ehrenamtlicher Basis tätig.

Die Projekte der vergangenen Jahre bezogen sich stets auf Themen, die uns bis in die Gegenwart hinein bewegen: Hierbei sind insbesondere die Dokumentationen über Zwangsarbeit in der NS-Zeit zu nennen. Die Geschichte der jüdischen Berliner zieht sich wie ein roter Faden durch die Arbeit der Geschichtswerkstatt. So wurde schon 1987 in der "Weddinger Ausstellung" das Schicksal der Weddinger Juden dargestellt.

Die Publikationen, die sich auf einzelne Stadtteile beziehen, wie z. B. "Rote Insel", "Lindenhof", "Jüdische Schweiz" sind besonders für die Schöneberger interessant.
Die Geschichte eines Viertels ist oft ein Spiegelbild des gesamten Zeitgeschehens. Die Arbeit der Geschichtswerkstatt begleitete eine Entwicklung, in der sowohl ganze Stadtviertel verkamen und zum Abriss freigegeben wurden, als auch das historische Interesse für die Umgebung wiedergewonnen wurde.

Eines ungewöhnlichen Rahmens hat sich die Geschichtswerkstatt bedient, um - abweichend von den üblichen Ausstellungen - ihre Inhalte zu vermitteln: Aus einem ausrangierten Doppeldeckerbus der BVG wurde das MOBILE MUSEUM. Gerade zur Zeit der 750-Jahr-Feier Berlins wurde darin eine spektakuläre Ausstellung zum Thema Euthanasie im Dritten Reich gezeigt.

Die Geschichtswerkstatt war in vielerlei Hinsicht Vorbild für ähnliche Projekte und Aktionen im gesamten Bundesgebiet. Nach den vielen Jah-ren (die Werkstatt feierte 2001 ihr 20jähriges Bestehen) sind einige Ziele und Inhalte aktuell wie eh und je.

Zur Zeit setzt sich die Geschichtswerkstatt - zusammen mit anderen Institutionen - dafür ein, die Baracken des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers in Niederschöneweide in eine Gedenkstätte umzuwandeln. Diese Anlage, die nach dem Krieg für andere Zwecke genutzt wurde, ist deshalb baulich so gut erhalten, weil sie eine der wenigen war, die als Mauerwerksbau errichtet wurde. Erst 1993, unter maßgeblicher Beteiligung der Geschichtswerkstatt, wurde die frühere Zweckbestimmung in der Öffentlichkeit bekannt gemacht.

Im Sommerhalbjahr werden Dampferfahrten veranstaltet. Jeden zweiten Sonntag geht die Fahrt über Landwehrkanal und Spree. Die "Dampfergruppe", in der fast alle Mitglieder Frauen sind, recherchiert ständig, d. h. auch in den Wintermonaten, nach noch unbekannten Themen, um den Passagieren stets neue Facetten des (Ufer-) Geschehens nahe bringen zu können.

Die Bandbreite der dabei vermittelten Geschichte(n) reicht von Revolutionslyrik aus dem Jahre 1848 bis zu den neuesten städtebaulichen Entwicklungen entlang der befahrenen Wasserstraßen. Der Fall der Mauer hat nicht nur den Aktionsradius vergrößert, sondern auch die Auswahl an Themen. Im letzten Sommer standen "Krumme Touren" (Kriminalgeschichten an Berliner Gewässern), "Litera-Tour" (Literarische Kostproben von Ringelnatz bis Tucholsky) sowie "Frauengeschichten" auf dem Programm.

Im Frühjahr 2004 , ab 9.Mai, geht es wieder los! Information und Karten
erhält der Interessierte in der

Goltzstr. 49, wo die Berliner Geschichtswerkstatt ihre Räume in einem Ladengeschäft hat.

Berliner Geschichtswerkstatt
Goltzstr. 49, D-10781 Berlin
(U 7: Eisenacher Str.)
Tel.: 215 44 50, Fax: 215 44 12
Öffnungszeiten:
Montag - Freitag, 15.00 bis 18.00
e-mail: info@berliner-geschichtswerkstatt.de
Internet: www.berliner-geschichtswerkstatt.de

Marina Naujoks
ehrenamtliche Redakteurin

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