Serie:
Frauen in Schöneberg: AGNES HACKER (1860-1909)
Plötzlich sehe ich sie überall, die Frauen auf den Plakaten, die so ganz anders aussehen als die üblichen Models der Werbung. Ihre Gesichter erzählen eine Geschichte, ihre eigene Lebensgeschichte. Berliner Frauen, die unter schwierigsten Umständen ihr Leben meisterten, mutig neue Wege gingen und sich oft für andere einsetzten. Aber nicht nur historische Persönlichkeiten sind dabei, sondern auch Frauen, die heute „aus dem Rahmen fallen“, indem sie sich in Männerberufen behaupten oder wie Jenny de la Torre, dort helfen, wo andere schon längst wegsehen. Sie kümmert sich um die ärztliche Versorgung von Obdachlosen am Hauptbahnhof. Die Plakataktion „Frauen bewegen Berlin“ geht nun nach einem Jahr zu Ende, durchgeführt wurde sie von der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen in Kooperation mit den Berliner Verkehrsbetrieben. Grund genug für uns, nach Frauen zu forschen, die hier im Schöneberger Kiez Außergewöhnliches leisteten oder noch leisten, die vielleicht in unserer Nachbarschaft leben und uns Vorbild sein können und natürlich Mut machen, unser eigenes Leben und unsere Vorhaben voranzubringen, auch wenn der Wind manchmal stark von vorne pfeift. Viele dieser Frauen stehen nicht im Rampenlicht, ihre Arbeit sollte aber dennoch gewürdigt werden. Sollten Sie in ihrer Nachbarschaft eine Frau kennen, deren Arbeit und Leben in unserer Zeitung vorgestellt werden sollte, so melden Sie sich bitte bei uns. Redaktion: Die Stadtteilzeitung Agnes Hacker: „Der beste Arzt der Frau ist die Frau!“ Die erste Frau, die in unserer Serie
vorgestellt werden soll, ist Agnes Hacker, die sich vor über 100 Jahren
ihren Wunsch, Ärztin zu werden, erfüllte, obwohl damals Frauen an
deutschen Universitäten nicht zugelassen waren und gegen oft absurde
Vorurteile kämpfen mussten. Von Hildegard Weg-schneider, der ersten
preußischen Doktorin in Philosophie, ist in diesem Zusammenhang ein sehr
aufschlussreiches Zitat von Treitschke überliefert. Er antwortete auf ihr
Ansinnen an seinen Seminaren teilzunehmen, mit dem Ausruf: „Ein Student
der nicht saufen kann… niemals!“ Neben ihrer praktischen Arbeit als Ärztin
engagierte sich Agnes Hacker auch politisch und sozial, so war sie
leitende Ärztin der Bethabara Beth Elim Stiftung in Weißensee, die sich
um aus der Haft entlassene Prostituierte kümmerte. In Vorträgen und
Kursen klärte sie junge Mädchen über medizinische Fragen auf und
versuchte als Sportlerin und Abstinenzlerin den jungen Frauen diese
Lebensweise nahe zu bringen. Als Mitglied zahlreicher Vereine war sie
politisch immer eine Mitstreiterin der frühen Frauenbewegung. Sie vertrat
als Ärztin die Ansicht, dass der beste Arzt der Frau die Frau ist. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Karl-Schrader-Straße 10 befinden sich mehrere sozialkulturelle Einrichtungen wie die Kiezoase des Nachbarschaftsheim Schöneberg und das Pestalozzi-Fröbel-Haus. Wer hier also Kurse besucht, im „Netti“ im Internet surft oder sich im Café der Kiezoase entspannt, kommt unweigerlich am Haus Nr. 10 in der Karl-Schrader-Straße vorbei. Vielleicht denkt er oder sie dann kurz an Agnes Hacker und ihre „Klinik weiblicher Ärzte für Frauen“, denn auch das gehört zur Nachbarschaft im Kiez, dass man sich erinnert und diese geschichtlichen Orte mit Leben füllen kann. © Doris Kollmann |