Von gefährdeten Tierarten und kleinen gefräßigen Motten
Zu Hause auf dem Frühstücksbrettchen stehen sie, die gefährdeten Tierarten, als da
seien:
Die braunhäutige Kastaniengiraffe, der majestetische Kastanienhirsch mit dem
Tomatenstrauchgeweih und nicht zuletzt der sehr seltene Kastanienhase, zu erkennen an den
roten Hagebuttenohren.
Sollten Sie wirklich vom Aussterben bedroht sein, weil eine winzig kleine Motte es
schafft, ganze Straßenzüge von Kastanienbäumen zu entlauben? Diese Motte heißt
Miniermotte, weil sie Minen in die Kastanienblätter frisst, in denen sich dann ihre
Nachkommen vermehren. Minnimotte wäre eigentlich ein passenderer Name, wie mir neulich
ein Insektenexperte im Vorschulalter erklärte, denn diese Motte ist wirklich sehr klein,
ganze 5 mm. Einen schicken lateinischen Namen hat sie natürlich auch: Cameraria
ohridella, denn sie wurde 1984 am Ohridsee in Mazedonien entdeckt. Ihr eigentliches
Ursprungsland liegt aber im Dunkeln. Ein echter Globetrotter also, gefräßig dazu und:
Mottchen vermehrt sich rasend schnell. Bis zu drei Generationen schickt sie pro Jahr ins
Rennen. Auch wenn die letzte Generation im Laub gesammelt und vernichtet wird, warten Oma
und Opa Motte in der Überwinterung, um im nächsten Frühjahr munter den Fortbestand der
Art zu sichern.
Fast sieht es so aus, als ob wir hilflos dem Absterben der Kastanienbäume zusehen
müssten. Auch dieses Jahr fingen schon Mitte September die Kastanien an, braun zu werden.
Wenig später waren die ersten entlaubt, zumeist die kleineren Bäume, die in diesem
heißen Sommer noch zusätzlich unter Wassermangel leiden mussten.
Katastrophal wäre das für Berlin. In unserer Stadt stehen 48.000 weißblühende
Rosskastanien, sie zu ersetzen würde 325 Millionen Euro kosten, ganz abgesehen vom
ästhetischen Schaden, den so ein kahler Baum verursacht. Da in Berlin gern
straßenzugsweise Bäume einer Art gepflanzt werden, wäre so manche Straße plötzlich
ganz ohne Baumbestand.
Wissenschaftler aus acht Ländern suchen derzeit im Forschungsprojekt ControCam Wege der
Bekämpfung. Doch weder Lockfallen, Leimringe oder gar Pflanzenschutzmittel haben
durchschlagenden Erfolg. Es gibt auch keine nennenswerten natürlichen Feinde, die Kohl-
und Blaumeisen haben inzwischen zwar gelernt, die Puppen der Motte aus den Minen zu
picken, aber Herr der Lage sind sie lange nicht. Dann gibt es noch Erz- und Schlupfwespen,
die gemeinerweise ihre Nachkommen in die Puppen anderer Insekten setzen, doch so richtig
schmackhaft scheint die Miniermottenlarve nicht zu sein.
Bis heute hilft tatsächlich nur eins: Laub sammeln. Wenn das Laub wirklich unter den
Büschen und aus den Ecken herausgekehrt wird, hat die Kastanie im nächsten Frühjahr
einen deutlich besseren Start.
Helfen Sie mit. Retten Sie die schönen Kastanienbäume. Und nebenbei die oben erwähnten
gefährdeten Kastanientiere. Am 25. September gab es die erste Laubsammelaktion für
freiwillige Helfer in Schöneberg am Kleistpark. Weitere Aktionen sollen folgen. Die
Termine und weiterführende Informationen zum Thema Miniermotte finden sie auf folgender
Website:
www.stadtentwicklung.berlin.de/
pflanzenschutz/kastanienminier
motte oder telefonisch bis zum 10. Oktober unter 9025-1314.
Einen detaillierten Überblick im Internet gibt ein Seminar der Biologischen Bundesanstalt
für Land- und Forstwirtschaft (BBA): www.bba.de/mitteil/presse/prot_cameraria.pdf
Die Bundesanstalt versendet auch ein Faltblatt per Post: BBA, Messeweg 11/12, 38104
Braunschweig.
© Doris Kollmann,
Stadtteilzeitung Schöneberg
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