Mitglieder der BVV
Wer sind die Personen, die auf Bezirksebene meine Interessen vertreten? Wer gestaltet die Politik in meinem direkten Umfeld? mohammed0928.jpg (6874 Byte)

Um ein wenig Licht in die nicht immer sofort verständlichen Strukturen der Kommunalpolitik zu bringen, stellen wir Ihnen die Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung vor. Diesmal: Badr Mohammed (SPD)

Sichtet man das weite Betätigungsfeld von Badr Mohammed, liegt eines sofort auf der Hand: Der Mann hat beeindruckend große Energieressourcen. Er ist Mitglied im Integrationsausschuss, im Ausschuss für Gesundheit und für Eingaben und Beschwerden. In den beiden erstgenannten fungiert er auch als Sprecher. Innerhalb der SPD ist er Kreisvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Integrationspolitik und außerdem Leiter der arabischen Sozialdemokraten der Berliner SPD. Beruflich arbeitet Badr Mohammed als Projektkoordinator im Integrationszentrum Tiergarten Süd in der Pohlstraße 74. Hier finden Anwohnerinnen und Anwohner u.a. Unterstützung in Konfliktsituationen und Hilfe im Umgang mit Behörden. So umfangreich sein Arbeitsgebiet auch sein mag, man kann es ohne Probleme unter einem Begriff subsumieren: Integration.

Ein kurzer Blick in seine Vita macht das Engagement verständlich. Badr Mohammed wurde 1966 in Beirut geboren. Als Flüchtling kurdischer Abstammung kam er 1976 mit seiner Familie aus dem Libanon nach Berlin. Fünfzehn Jahre hatte seine Familie den Status geduldet bis sie die Aufenthaltsberechtigung bekam - eine lange Zeit, die sofort die ausländerrechtliche Problematik verdeutlicht.

Das Besondere an seinem Umgang mit dem Thema Integration ist, dass er den (meist deutschen) politisch Verantwortlichen in diesem Bereich eine neue - für einige gewiss unbequeme - Sichtweise eröffnet. Für ihn gibt es kein Ausländerproblem, sondern ein Sozialproblem. "Man kann von in der 4. Generation hier lebenden Menschen nicht mehr von Ausländern sprechen. Es sind deutsche Staatsbürger. Dieses Problem betrifft alle Bürgerinnen und Bürger des Landes."

Badr Mohammed fordert ein Bündnis für staatliche Integrationspolitik auf kommunaler Ebene. Das bedeutet, dass alle politischen Akteure sich an einen Tisch setzen sollen, um über konkrete staatliche Konzepte der Integration zu diskutieren. Als Beispiel nennt er die Integration von Kindern in Schulen, die die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, muss seiner Meinung nach eine gezielte Zusammenarbeit zwischen den Bezirksämtern, Betroffenen, Vereinen usw. stattfinden - alleiniger Daz-Unterricht (Deutsch als Zweitsprache), wie jetzt an den Schulen praktiziert, reicht nicht aus. Unabhängig von dem jeweiligen Problem muss die erste Frage immer lauten: Mit wem muss ich zusammenarbeiten?

Die Integrationspolitik ist also keine Privatangelegenheit, sondern eine Staatsaufgabe. Badr Mohammed ist kein Freund von multikulti - ein Begriff, der gerne für die Vielfalt der Menschen benutzt wird. Aus seiner Sicht geht es um essentielle Grundrechte für die Menschen wie Bildung oder den rechtlichen Status einer Person. Bis jetzt hat sich der Staat dieser Aufgabe noch nicht gestellt, denn unter dem Begriff Integration wird meist Assimilation verstanden, was eine lückenlose Anpassung der Betroffenen bedeutet. Auf diese Art und Weise entwickeln sich Parallelgesellschaften. Wie sonst ist es zum Beispiel zu erklären, dass es die Gelben Seiten extra für Türken und Araber gibt? In diesen Parallelgesellschaften "bleibt man unter sich" - was fatale Folgen hat. Die Kinder lernen nicht richtig deutsch, die Kindergärten können diese Defizite nicht ausgleichen, es gibt Probleme in der Schule. Ein schlechter oder gar kein Schulabschluss ist oft die Folge, der Weg in die Arbeitslosigkeit ist also von Anfang an geebnet.

Zur Unterbrechung dieser Spirale hat Badr Mohammed ein Programm in drei Schritten erarbeitet: Zunächst müssen fachkundige Kultur- und Integrationsvermittler in allen Bereichen (Gesundheit, Jugend …) eingesetzt werden. Deren Aufgabe ist es, "das Eis zu brechen", d.h. Kontakt zu den Familien aufzunehmen. Nach der Analyse des Problems muss eine konkrete Lösung her.
Dabei kann es sich z.B. um die Vermittlung eines Streetworkers handeln, wenn es Probleme mit dem gewaltbereiten Nachwuchs gibt. Als nächstes sollen Beschäftigungsprojekte entwickelt werden, in denen sich die betroffenen Familien engagieren, sich z.B. um ihren Kiez kümmern.
Für seine Pläne bekommt er von den anderen BVV-Mitgliedern überfraktionär einen guten Rückhalt. "Natürlich halten auch einige an der alten Ausländerpolitik fest, aber die werden mich auch noch verstehen", sagt er ein wenig grinsend und hastet mit dem Handy am Ohr zum nächsten Termin.
Anett Baron
ehrenamtliche Redakteurin


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