Zu Hause bei den Dietrichs

Foto: Bärbel Schneider Im Geburtshaus der Marlene Dietrich zu wohnen ist nicht immer leicht, denn der Fankult um die Filmdiva ist ungebrochen. Einmal trat ich morgens nichts Böses ahnend aus der Tür und wurde im noch halbschlafenden (und auch dementsprechend aussehenden) Zustand von einer japanischen Reisegruppe empfangen. Gut gelaunt und im Gegensatz zu mir offensichtlich ausgeschlafen, knipsten die Verehrer die Gedenktafel an der Wand in allen Varianten. Der Hausmeister von gegenüber hing wie üblich - rechts und links flankiert von seiner Alten und dem Schäferhund - aus dem Fenster und grölte: "Ja, ja, did is der Marlene ihr Jeburtshaus."    

Immens anziehend wirkt das Haus an Geburts- oder Sterbetagen auf die Fangemeinde. Rote Rosen und kleine Grußworte auf parfümierten Papier (einmal sogar Unterwäsche!) werden vor der Haustür liebevoll arrangiert. Der Hausmeister stellt die Blumen dann in eine Vase, die Briefe werden von den Kindern neugierig gelesen und die Unterwäsche fliegt in den Müll. Die Krönung der Zuneigung zu der Filmdiva geschah aber vor zwei Jahren. Plötzlich stand an ihrem Geburtstag im Dezember eine etwa 1,50 m hohe Glasvitrine einer schwedischen Möbelfirma mit unzähligen Teelichtern vor der Tür, die zwei Tage später freundlicherweise wieder abgeholt wurde. Das angenehme Kerzenlicht gab dem Haus eine gemütliche Note -  das Wachs später vom Fußweg zu kratzen war weniger lustig.

Mit dem Thema Marlene geht die Hausgemeinschaft mittlerweile gelassen um. Jeder stand den Journalisten schon Rede und Antwort (Lieblingsfrage: "Wo wohnte sie denn nun genau?") oder wurde abgelichtet (Lieblingsbemerkung: "Das schönste Haus ist es aber nicht."). Die Routine im Umgang mit den Medien hat sich schnell eingeschlichen.  Wir haben bereits überlegt, einen Phantom-Klingel-knopf mit der Aufschrift "M. Dietrich" zu installieren - einfach so zum Spaß, um ein bisschen Verwirrung zu stiften. Sehr viel ernster waren die Überlegungen ein kleines Museum im Erdgeschoss einzurichten. Doch leider bräuchten wir dazu einen potenten Geldgeber.   
Foto: Thomas Protz
So sieht unser Leben mit dem ehemaligen Weltstar aus, der seine ersten Laufversuche mit seinen später so berühmten Beinen auf unserem Gehweg startete. Wir Hausbewohner haben Marlenes Geist lieb gewonnen. Manchmal stehen wir dann in unserem Hinterhof, sortieren verträumt unseren Müll in die verschiedenen Tonnen und sehen ihren Geist zwischen den Fahrrädern Springseil hüpfen.

Anett Baron
ehrenamtliche Redakteurin


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