Foto: Tempelhof-Schöneberg Museum / Archiv Planungen ohne Ergebnis: der S-Bhf. Kolonnenstraße

Nach dem zweiten Weltkrieg war der S-Bahnhof Kolonnenstraße noch in Betrieb. Unmittelbar im Süden der jetzigen Julius-Leber-Brücke auf der östlichen Gleisseite bildete er den Anschluss zum S-Bahnhof Papestraße, die sog. Cheruskerkurve. Heute ist geplant, die Fahrt der S 1 zwischen Schöneberg und Yorckstraße um eine Haltestelle zu ergänzen, mit der Möglichkeit der eventuellen Wiederinbetriebnahme der Cheruskerkurve.
Ob es den S-Bahnhof jedoch wieder geben wird, ist höchst fraglich.

Sinnvoll wäre der neue S-Bahnhof auf jeden Fall. Die rote Insel, also das Gebiet zwischen den Gleisen der S1 und S2, würde in seinem Zentrum an die S 1 angeschlossen werden. Bisher profitieren nur der äußere Norden und Süden von den jetzigen S-Bahnhöfen. Auch der gesamte Kiez um den Kaiser-Wilhelm-Platz würde angeschlossen und durch höhere Fahrgastzahlen belebt. Dies wäre ökonomisch ein wichtiger Impuls für die Läden in Fußnähe um den S-Bahnhof. Da er für die Wohnbevölkerung, die lokale Wirtschaft und das städtische Personenbeförderungskonzept sinnvoll ist, hat die Politik schon lange ihren Willen bekundet, den Bau zu realisieren. 1986 ging es konkret mit einem Architekten-Wettbewerb los. Trotz Ergebnissen, Planungen, Absprachen usw. hakte es seitdem immer wieder. Und wie so oft im Leben liegt es wohl an den Finanzen.

Das Land Berlin hat über die Finanzmittel des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSchwAG) bei der Deutschen Bahn AG (die S-Bahn gehört seit 1989 zur Reichsbahn, dann 1993 zur Deutschen Bahn AG) den Bau des S-Bahnhofs angemeldet. Die Deutsche Bahn AG wird damit zum Vorhabensträger und muss sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen Planungen für den Bau durchführen. Da sich trotz Aufnahme des S-Bahnhof-Baus in den BschwAG-Katalog nichts Essentielles tat, drohten 1998 die Finanzmittel mit Ablauf des BSchwAG zu verfallen. Doch Berlin setzte sich hier durch. Auf der Verkehrsministerkonferenz 1998 in Stuttgart wurde vereinbart, das die Finanzmittel für diesen S-Bahnhof-Bau nicht an einen bestimmten Zeitrahmen gebunden sind und auch nicht verfallen. Die Deutsche Bahn AG in Person ihres damaligen Chefs Dürr hatte wohl ein so schlechtes Gewissen, weil sie Jahre lang nichts getan hatte, dass sie dem Land versicherte zusätzlich 75% der Kosten zu übernehmen, die über der Wirtschaftlichkeit des Bahnhofs liegen.

Hier ist auch das Kernproblem: Die BSchwAG-Mittel sind nichts anderes als ein zinsloses Darlehen des Bundes an die Bahn. Die muss das Darlehen zurückzahlen und damit den S-Bahnhof-Bau bezahlen. Jedoch nur den wirtschaftlichen Teil des Bahnhofs, was in etwa einer Minimalvariante entspricht. Sonderwünsche des Landes sowie die daraus entstehenden Folgekosten muss das Land selbst tragen. Und so wurde und wird um jedes Komma und jeden Punkt im Planungsverfahren zwischen der Deutschen Bahn AG und dem Land sowie dem Eisenbahnbundesamt (als übergeordnete Planfeststellungsbehörde) gestritten.

Bisher soll der Bahnhof unter der Julius-Leber-Brücke beginnen und sich mit zwei Bahnsteigen nach Norden erstrecken. Jeweils eine Treppe und ein Fahrstuhl verbinden den Bahnsteig mit der Brücke. Aber es soll keinen Zugang von der Südseite der Brücke geben und auch keine weitere Überdachung gegen Wind und Wetter als die Brücke selbst.

Nun soll die Deutsche Bahn AG jedoch sogar den Stuttgarter Kompromiss von 1998 in Frage stellen. Sie schlägt als Alternative vor, dass Berlin den Bahnhof bei der Deutschen Bahn direkt bestellt und dann 100 % der Bau- und Folgekosten selbst trägt. Das Land - ohnehin Schuldenmeister - ist verschnupft und sieht sich in neue Verhandlungsrunden mit der Deutschen Bahn AG gezwungen. Da noch nicht einmal die Planung des S-Bahnhofs von der Deutschen Bahn AG beim Eisenbahnbundesamt zur Überprüfung eingereicht wurde, drängt Berlin weiter auf den Bau, die Bahn plant intensiver als je zuvor und die Bürgerinnen und Bürger werden in ihrer Langmut getestet.

Christian Freiesleben


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