Ein Abschied in Würde
Die Mitarbeiter des Ende März 2004 eröffneten Hospizes Schöneberg- Steglitz blicken am Ende des Jahres auf ihre Arbeit zurück.

"Das Hospiz ist eine klasse Einrichtung. Davon sollte es mehr geben. Man hat sein eigenes Zimmer. Es ist wie zu Hause. Die Einstellung des Personals ist 'ne ganz andere. Die sehen den Mensch, nicht den Kranken. Die sagen Gäste zu uns, nicht Patienten."
So ein 54-jähriger Schöneberger. Er hat Krebs und ist aus medizinischer Sicht "austherapiert". Im Hospiz Schöneberg-Steglitz hat er sich in einem der freundlichen Räume eingerichtet und ist damit einer der mittlerweile über 100 Gäste.

Die Hospizgeschichte hat eine lange Tradition: Bereits im Mittelalter gründeten Mönche an den großen Pilgerstraßen Europas Hospize, d. h. Herbergen, in denen Wanderer gastliche Unterkunft bekamen und Hilfe erfuhren, wenn sie krank wurden oder in Not gerieten. Die Hospizbewegung unserer Tage greift die Idee der mittelalterlichen Hospize wieder auf. Sie versteht den Lebensweg des Menschen als eine Reise, auf der Kranke und Sterbende auf der letzten Wegstrecke des Lebens umfassende Zuwendung benötigen.

Hospizliche Arbeit bedeutet neben fachlich fundierter medizinischer Betreuung eine ganzheitliche, individuelle und einfühlsame Pflege anzubieten und eine Atmosphäre zu schaffen, in der Fragen nach dem Sinn des Lebens und des Sterbens Raum haben. Aber auch bei sozialen, persönlichen und finanziellen Problemen sind aufmerksame Ansprechpartner wichtig. Oft werden zudem die Angehörigen und Freunde der Kranken entlastet und sind dankbar für Beratung und Unterstützung.

Frühstücksgespräch, Foto: Oliver Krüger (14234 Byte)Den zwischenmenschlichen Fähigkeiten der Mitarbeiter gilt daher besonderes Augenmerk. Unterstützt werden sie von zur Zeit etwa 40 ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen, die umfangreich geschult und über Hospitanz und Praktika auf ihre Arbeit vorbereitet wurden. Eine von ihnen ist Frau Bleisch. Sie besuchte vor einigen Jahren die vom Hospiz Schönberg-Steglitz angebotene 7-monatige Seminarreihe und konnte sich intensiv auf die Begleitung kranker sterbender Menschen vorbereiten. Auch dem Schmerz und der Trauer von Angehörigen oder Freunden kann sie seitdem die begleitende Zuwendung anbieten. Sie hat dabei Erfahrungen gesammelt, die sie nicht missen möchte und die zu mehr Gelassenheit in der eigenen Lebensbetrachtung führten.
Als Frau Bleisch von der Ehefrau eines todkranken Mannes um begleitende ambulante Hilfe in dieser schweren Zeit des Sterbens gebeten wurde, ahnte sie nicht, dass sie diesmal Trauerfeierlichkeiten auf der Ostsee erleben würde. Die Familie des Verstorbenen wollte selbst hier auf ihre Begleitung nicht verzichten. Nach der Trauerfeier in Berlin trafen sich die Hinterbliebenen einige Tage später in Saßnitz auf Rügen zur Seebestattung. Der Kapitän erwartete die Trauergäste in der Kajüte des Kutters. Blauer Samt, Blumen und Kerzen, klassische Musik und die feierliche Ansprache des Kapitäns sorgten für den angemessenen Rahmen. Der Steuermann nahm Kurs Richtung Ostsee; der Kapitän hielt Totenwache bei der Urne. Vor den berühmten Rügener Kreidefelsen stoppten die Maschinen. Jeder Trauergast war mit einer Rose an Deck, als der Kapitän die Urne aus gemahlenen Miesmuscheln ins Wasser hinabließ. Es folgten die Rosen der Hinterbliebenen und bildeten einen schwimmenden Blumenteppich. Dreimal hupte die Schiffssirene, dann umkreiste das Schiff den Ort, an dem sich am nächsten Tag die Urne aus Muschelkalk auflösen würde. In der Ostsee soll die Asche des Verstorbenen in den Kreislauf der Natur eingehen und ewigen Platz finden. Die Angehörigen erhielten eine Urkunde mit dem Längen- und Breitengrad des Ortes. So sind ihnen auch spätere Gedenkfahrten möglich. Frau Bleisch begleitete in der Trauerphase die Witwe noch mehrere Wochen bis zum Abschiedsgespräch.

"Zum Leben gehört auch Sterben." Frau Bleisch bemüht sich mit Erfolg, dies sogar den Kita-Kindern in ihrer Vorschulgruppe behutsam bewusst zu machen. Ein Bestattungsunternehmen wurde gemeinsam besucht und wiederholt ein Friedhof. Durch Gespräche in altersgerechter Art fanden die Kinder Zugang zu einem Teil unseres Lebens, der oft verdrängt wird oder auch Erwachsene hilflos macht.

Die Zufriedenheit der Gäste und ihrer Angehörigen sowie die gute Belegung des Hospizes ist Motivation, weiterhin Aufbauarbeit zu leisten, um den Wünschen und Bedürfnissen der Kranken noch besser gerecht werden zu können. So sind als Erweiterung der Gartenanlage zwei bepflanzte Terrassen für die Rückseite des Gebäudes geplant. Zudem soll ein "Raum der Stille" gestaltet werden, als einen Ort, an dem Gäste, Angehörige und Mitarbeiter sich besinnen, miteinander sprechen oder einfach nur weinen können. Um die Umsetzung dieser Idee finanziell zu ermöglichen, ist das Hospiz Schöneberg-Steglitz auf Spenden angewiesen.

Vielleicht macht es auch Ihnen Freude, dazu beizutragen, dass der eine oder andere Wunsch erfüllt werden kann. Weitergehende Informationen über das Hospiz Schöneberg-Steglitz erhalten Sie auf den Webseiten des Nachbarschaftsheims Schöneberg (www.nachbarschaftsheim-schoeneberg.de) oder telefonisch im Hospiz unter 76 88 31 02.

Das Hospiz wurde gefördert durch die Deutsche Krebshilfe, die Stiftung Deutsches Hilfswerk (ARD- Fernsehlotterie) und die Deutsche Hospizstiftung; außerdem kofinanziert im Rahmen des Umweltentlastungsprogramms UEP, einem Förderprogramm der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, gefördert mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung ( EFRE) und des Landes Berlin.

Stephanie Kremer, Annetta Mansfeld

Dezember 2004  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis