Die Stummfilmlegende bricht ihr
Schweigen
Als wollten sich Ost und West wieder dort zusammentun, wo sie einmal
eins und gleich waren, ging nach der Wende ein wahrer Zwanziger-/Dreißigerjahre-Boom los:
Chansons, Kabaretts, Palastorchester überboten sich mit Erinnerungen an die sogenannten
verruchten Zeiten, mit denen man doch heute eigentlich keinen Hund mehr hinter dem Ofen
hervorlocken kann. Was unsere Urgroßväter und -mütter einmal aufregte, kann uns heute
kein müdes Lächeln mehr entlocken; die Tendenz geht ja schon wieder in die andere
Richtung: kein Sex vor der Ehe - wahrscheinlich, um die Schraube wieder etwas
anzuziehen...
Da liegt es für einen Chansonnier nahe, einen alten Stummfilmstar aus der Mottenkiste zu
holen und sich aus seinem Fundus zu bedienen. Eine lose gestrickte Handlung bildet den
roten Faden, zwei Musiker (Peter Wünnenberg, Violine und Frank Schulte, Klavier)
begleiten und geben Stichworte, und schon steht der Abend! Von Pola Negri weiß man
eigentlich nicht mehr viel, und auch in der Aufführung im Kleinen Theater am
Südwestkorso erfährt man nicht sehr viel mehr. Es bleibt Arnold Krohne, der sich in
bizarre Fummel wirft und ein paar alte Lieder zum besten gibt, die möglicherweise gar
nicht alle aus Pola Negris Repertoire stammen ("Marleen"...) Nicht umsonst
gewinnt der Protagonist nach der Pause, als die Lieder moderner werden, mehr Profil.
Witzig und spritzig dargeboten, kann so ein Abend eine vergnügliche Angelegenheit sein.
Daran fehlt es noch etwas. Vielleicht kommt die ganze Chose ja noch ein bißchen in
Schwung mit der Zeit!
Sigrid Wiegand
Weitere Termine: 10.,11.,25. Dezember 20 Uhr, 12. Dezember 18 Uhr (www.kleines-theater.de)
Dezember 2004 Stadtteilzeitung
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