| Eine audiovisuelle Ausstellung im
Hochhaus des Pallasseum
Das oft gescholtene Fassadenbild des sogenannten
Sozialpalast in der Pallasstraße ist geprägt von den Balkonen und diese
wiederum von den Menschen, die auf ihnen leben.
Davon und vom Leben in diesem Haus handelt eine audiovisuelle Ausstellung, die am 21.
Januar 2005 eröffnet wird. "Das Besondere dieser Ausstellung ist gleichzeitig ihr
Anliegen", so die Initiatorin und Ethnologin Martina Kneis, "denn sie lässt
Innenblicke zu, die von den Bewohnern bestimmt wurden". Sie haben die Kamera selbst
in die Hand genommen und den Alltag auf ihrem Balkon fotografiert. Martina Kneis,
ebenfalls Bewohnerin des Hauses, führte Interviews mit den Ausstellungsteilnehmern.
Ergänzt werden die Balkonfotoserien durch einfühlsame Porträts von dem Fotografen
Oliver Möst sowie von poetischen Klangcollagen des Kommunikationswissenschaftlers Jan
Müller.
Herausgekommen ist ein interessantes Bild- und Tonmosaik über ein verurteiltes Haus und
dessen Bewohner.
Seit 1974 gibt es in der Schöneberger Pallasstraße ein Haus, dessen Schlagzeilenpräsenz
per se schon fast ein Ereignis ist. Ein "graues, sündenbelastetes Ungetüm",
"Wohnmaschine", "Ghetto", "das schlimmste Haus überhaupt",
man nennt es den "Sozialpalast". Sein offizieller Name Pallasseum setzt sich in
der Öffentlichkeit dagegen bisher kaum durch.
Erstaunlich gelassen, sogar amüsiert zeigen sich seine Bewohner, wenn sie davon
erzählen. "Vorher konnte ich mir auch nicht vorstellen, hier zu wohnen.", sagt
ein Mieter, der bis vor drei Jahren noch in Lofts und Fabriketagen residierte. Jetzt
räkelt er sich auf einem Diwan, den er sich auf seinen terrassengleichen Balkon baute.
Bei der 5-köpfigen Familie, ein paar Wohnungstüren weiter, ist für einen Diwan kein
Platz. Hier ist der Balkon in den warmen Monaten ein Kinderzimmer. Die Nachbarin, eine
Etage tiefer, pflegt hingegen ihren "Garten Eden" und spricht von
"Penthousegefühl".
In der Tat sind die Balkone für die Mieter ein
unverzichtbarer Lebensraum, der gleichzeitig das Fassadenbild prägt, welches von einem
Bewohner eben darum als sehr lebendig beschrieben wird, "weil es das Innenleben des
Wohnens nach außen stülpt". Von diesen Balkonen und dem Leben im Haus handelt eine
audio-visuelle Ausstellung, die am 21. Januar 2005 eröffnet werden soll. "Das
Besondere dieser Ausstellung ist gleichzeitig ihr Anliegen", so die Initiatorin und
Ethnologin Martina Kneis, die ebenfalls im Pallasseum wohnt: die Bewohner selbst
fotografieren ihren Balkon und erzählen über ihren Alltag im Haus. Zwanzig zufällig
gewählte Mieter erhielten von ihr eine Einwegkamera, mit der sie ihre persönlichen
Ansichten dokumentieren konnten, und die sie daraufhin in Interviews kommentierten. Die
einfühlsamen Porträts der Amateurfotografen auf ihrem Balkon ergänzen die Fotoserien
von dem Fotografen Oliver Möst. Straßenlärm, Kindergeschrei aber auch O-Töne aus den
Interviews wurden gemeinsam mit dem Kommunikationswissenschaftler Jan Müller zu
Hörstationen zusammengestellt. Herausgekommen ist ein interessantes Bild- und Tonmosaik
über ein verurteiltes Haus und dessen Bewohner, die sich erstaunlich selbstbewusst,
kritisch und auch selbstironisch präsentieren.
Schöne Aussichten, so der Titel der Ausstellung, darf in jedem Sinne verstanden als auch
wörtlich genommen werden, denn sie findet im Hochhaus des Pallasseum selbst statt. Ein
besonderer Höhepunkt - und nicht nur für Experten - wird ein Vortrag des Architekten
dieses Hauses, Prof. Jürgen Sawade, sein, dessen Baupläne aus Kostengründen nie
vollständig umgesetzt wurden und schon deshalb interessieren dürften. Zudem gibt es eine
Lesung von Balkongeschichten des Schweizer Schriftstellers Gerhard Meister.
Martina Kneis, Tel.: 0179 / 47 83 85 3
E-Mail: martina.kneis@web.de
Dezember 2004 Stadtteilzeitung
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