Unbemerkte Völkerwanderung aus dem Norden

Die Zahlen der "Berlin-Statistik 2003" offenbaren Fakten, die ich schon lange geahnt habe. In dieser Stadt ziehen die Leute wie verrückt um. Im Kapitel 2.4 "Wanderungen über die Grenzen Berlins" steht es schwarz auf weiß. Wir hatten im Jahr 2002 123.066 Zuzüge und 114.381 Fortzüge, das macht per "Wanderungssaldo" einen Bevölkerungszuwachs von 8.685 Personen - Hurra! Das sind pro Wochenende 2165 Umzüge, wenn man annimmt, dass immer zwei Personen zusammen das Lager wechseln. Und davon - so jedenfalls mein Gefühl - findet ein Großteil bei uns auf der "Roten Insel" statt. Bei Wind und Wetter werden mit großer Ausdauer Kartons ein- und ausgepackt, Gerümpel einfach auf der Straße stehengelassen oder (dann heimatlose) Möbelstücke im Hausflur vergessen.

Fast unbemerkt dagegen hat sich in letzter Zeit eine bedeutende Veränderung in unserer Bevölkerungsstruktur ereignet. Seit einigen Wochen schleppen hier noch mehr Menschen als früher irgendwelche Gegenstände durch die Gegend oder huschen mit großen blauen Tüten an mir vorbei. Gestern hätte ich auf der Vorfahrtsstraße fast einen Radfahrer überfahren, der aus der Seitenstraße schoss. Wie sollte er mich auch sehen, wenn er ein PS Fogdö halb auf dem Kopf transportiert? Ich hatte Verständnis. Nur eine Woche zuvor sah ich zwei, die sich mit einem Karton abmühten, auf dem Billy stand. Und stehe ich morgens im halbschlafenden Zustand beim Bäcker um die Ecke, fliegen mir Namen wie Stensund, Värde oder Lixhult um die Ohren. Dem Himmel sei Dank ist mir des Rätsels Lösung von den Buschtrommeln zugetragen worden. Eine Horde aus dem nördlichen Europa hat am Sachsendamm ihr riesiges Tipi aufgestellt - man nennt sie auch Ikeaner. Mal sehen wann sich das in der Berliner Statistik niederschlägt.

Anett Baron


 Februar 2004 - zurück zum Inhaltsverzeichnis