Bahnhof Berlin Papestraße

 

„Der Bahnhof Papestraße ist Berlins erste Adresse im Süden." So heißt es in der Informationsbroschüre der DB ProjektBau zum neuen Bahnhof. Doch wie wird dieser Ort zur Zeit erlebt?

Das Umsteigen sowohl von der Ringbahn zur Nordsüdbahn als auch zu den Bussen gleicht seit Jahren einer kleinen Abenteuerwanderung: Sandflächen und Tunnel sind zu durchqueren, steile Treppen zu überwinden. Die Wege sind unverhältnismäßig lang. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Bauarbeiten für den Bahnhof im vollen Gange. Die Bahnsteige der Ringbahn sind nur über provisorische Zugänge erreichbar.

Auch am Sachsendamm wirkt der Bahnhof nicht einladend: Die Ampel schaltet nur auf Anforderung der Fußgänger um, die Bushaltestellen befinden sich in einiger Entfernung. Immer wieder fragen Ortsunkundige nach dem Eingang. Wer sich dem nicht gewachsen fühlt, wählt lieber eine andere Strecke...

Im Frühsommer 2006 - zur Fußball-Weltmeisterschaft - sollen die Arbeiten beendet sein und ein neuer Bahnhof den Fahrgast empfangen. Erstmals nach Jahrzehnten wird es wieder einen Fernbahnbetrieb geben. Freuen wir uns also auf die Zeit danach!

Rückschau auf die Geschichte des Bahnhofes

Um 1871 durchquerten die Eisenbahnlinien der Potsdamer und der Anhalter Bahn das Gebiet von Schöneberg, die Dresdner Bahn kam ab 1875 dazu. Die beiden letztgenannten sowie die „Militärbahn" (an der Papestraße lagerten die kaiserlichen Eisenbahnbataillone) liefen am Bahnhof Papestraße zusammen. Zur damaligen Zeit endeten die in die Stadt führenden Linien in Kopfbahnhöfen, die große Flächen zum Abstellen, für Wartungsarbeiten und Kehranlagen benötigten.

Ab 1867 wurde daher eine innerstädtische Verbindung zwischen diesen Kopfbahnhöfen geschaffen. Von Anfang an wurde ein möglicher Ausbau für getrennten Güter- und Personenverkehr mit jeweils zwei Gleisen geplant, so dass eine leistungsfähige Verkehrserschließung für das expandierende Berlin entstand: Die sog. Ringbahn. Sie hielt nicht nur die Stadt von Durchgangsverkehr frei, sondern ermöglichte auch die Verlegung von Produktionsstätten an den Stadtrand.

Ein neues Bahnhofsgebäude war erforderlich: Von 1898 - 1902 wurde das Empfangsgebäude des Bahnhofs Papestraße nach dem Entwurf von Karl Cornelius und Waldemar Suadicani errichtet. Im Zuge der Bauarbeiten wird nur die Eingangsseite als Reminiszenz erhalten und in den Neubau integriert.

Einige Jahrzehnte später lagen andere Pläne für diesen Bereich auf dem Tisch. Der Bahnhof Papestraße befand sich im Bereich der Nord-Süd-Achse von „Germania", wie Berlin nach dem „Endsieg" heißen sollte. Ein gigantischer Bahnhof bildete den Abschluss. Ein riesiger Vorplatz, gesäumt von erbeuteten Geschützen und Panzern, sollte den ankommenden Reisenden beeindrucken.

Nach dem Krieg dominierten Kleingartenanlagen und eine auf den Bahngleisen sich selbst überlassene Natur den Bereich zwischen Papestaße und Priesterweg. Pläne für einen Containerbahnhof auf diesem Gelände scheiterten in den achtziger Jahren, weil die Reichsbahnverwaltung, die in der DDR ansässig war, kein Interesse an der Stärkung des Wirtschaftstandortes Westberlin hatte. Als positiver Nebeneffekt entstand ein in Naturschutzkreisen viel beachtetes Biotop, das im Rahmen der „Expo" in einen allgemein zugänglichen Park, den „Naturpark Schöneberg" umgewandelt wurde.

Blick in die Zukunft

Zweihunderttausend Fahrgäste pro Tag werden erwartet, davon ein Drittel S-Bahn-Nutzer. Dieser Bahnhof wird der zweitwichtigste in Berlin werden und den gesamten südlichen Berliner Raum als Einzugsgebiet haben. Daher sind die Auswirkungen auf den Umkreis noch schwer vorstellbar.

Eine lichtdurchflutete Halle wird den Fahrgast empfangen. Mit 183 m Länge und 47 m Breite wird sie den Bahnsteig der Ringbahn vollständig überspannen und auch Durchblicke zu den Fernbahngleisen - eine Etage tiefer - zulassen. Im sachlichen Stil gehalten, von eleganten V-Stützen getragen, hat sie alle Chancen, zum neuen Mittelpunkt in diesem Bereich zwischen Schöneberg und Tempelhof, zwischen Gewerbegebiet und Naturpark zu werden.

Auf der unteren Ebene sind die Fernbahngleise, auch für den ICE, angeordnet. Sowohl am Nord- als auch am Südende des Bahnhofs sind Parkhäuser geplant. Diese werden nicht von der DB errichtet, sondern von einem privaten Investor. Die Ausschreibungen hierfür laufen. Es sind ca. 2600 KfZ-Stellplätze vorgesehen, speziell für Pendler.

Der Hauptzugang wird von der Naumannstraße auf der Schöneberger Seite erfolgen. Auf dem neuen Bahnhofsvorplatz soll es nur eine Möglichkeit zum kurzfristigen Halten geben mit der witzigen Bezeichnung „kiss and ride". Der Fernreisende, der den Bus oder das Taxi für die Anfahrt gewählt hat, wird ebenfalls hier ankommen.

Ob der Bahnhof seinen Namen behält, ist noch unklar. Möglich wäre auch die Bezeichnung „Südkreuz".

Auswirkungen für die Umgebung

Positive Impulse für die angrenzenden Stadtteile werden erwartet: Bereits jetzt hat in dem ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerk ein Baumarkt seine Verkaufsräume gefunden. Daneben ist „IKEA" eröffnet worden. Auf der anderen Seite, im Bereich der sogenannten „Schöneberger Linse" (zwischen Sachsendamm und Tempelhofer Weg) soll ein neues Quartier mit einer Mischung aus Gewerbe und Wohnen entstehen. Das Gelände der GASAG an der Torgauer Straße wird langfristig eine neue Nutzung erhalten.

Im Moment sind die Anwohner, besonders auf der Tempelhofer Seite, noch sehr skeptisch. Sie müssen den Baulärm ertragen und zweifeln, ob das Konzept für den Zubringerverkehr funktionieren wird. Auf einer Informationsveranstaltung des Bezirksamtes kamen diese Bedenken zum Ausdruck.

Sicherlich wird nach einem jahrelangem Hin und Her, unzähligen Wettbewerben und Planungen erst jetzt dem Einzelnen bewusst, dass nun die Ausführung erfolgt, die einen langwierigen Vorlauf hatte. Die für Außenstehende undurchschaubar wirkenden Verwaltungszuständigkeiten (So ist der Ausbau der Zubringerstraßen Bezirksangelegenheit, ebenso wie die städtebauliche Bereichsentwicklungsplanung für die angrenzenden Quartiere, während die Planung für die Bahn im sog. Planfeststellungsverfahren von der übergeordneten Behörde erfolgt.) schaffen zusätzliche Verwirrung.

Insgesamt müssen sich alle Betroffenen darauf einstellen, dass ihr „Kiez" jetzt überregionale Bedeutung erlangt. Es bleibt zu hoffen, dass die Vorteile hierbei überwiegen.

Berlin, den 28.1.2004
Marina Naujoks


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