Serie: Künstler im Kiez
Naturkonzeptbilder im Lebenskunstatelier von Bringfried-Johannes Pösger

Winter in der Stadt. Schnee ein vergessenes Versprechen. Die Sträucher und Bäume tropfen vor Nässe, graues blankes Geäst, dunkle Bürgersteige und ab und an ein paar vergessene, halb zerfallene braune Blätter, so kommt mir meine Stadt entgegen. Und dann ein Besuch in einem Friedenauer Kelleratelier, nun ja, meine Laune wird nicht gerade besser.

Als ich jedoch die hellen freundlichen Räume betrete, die Bringfried-Johannes Pösger für die Präsentation seiner Arbeiten und auch als Lagerraum für die Naturmaterialien nutzt, bin ich angenehm überrascht. Die Bilder, die der Künstler unter dem Titel "Berge I" derzeit in seinem Lebenskunstatelier zeigt, passen in ihrer Farbgebung eigentlich hervorragend in die Jahreszeit, denke ich spontan, nur dass in diesen Bildern das Winterversprechen eingelöst wird. Bringfried-Johannes Pösger komponiert in den zu-rückhaltenden Farben der Natur seine Bilder so, dass dieselben Eindrücke nachklingen, die man nach einem winterlichen Spaziergang im Wald gern mit nach Hause nimmt. Dunkle erdige Brauntöne, wie feuchtes Holz; weiche graue Schichten, wie Staub oder Spinnweb in trockenen Winkeln unter dichten Tannen, weite atmende Flächen aus Weiß, Schnee, Luft, Höhe, plötzlich sind sie da - die Berge, hier in der Stubenrauchstraße in Berlin.

Die zurückhaltende Farbgebung wird kaum aufgegeben, eine kleine Sensation schon, wenn ein Blau sich findet. Das Gelb, vielleicht hergeschenkt als Liebeserklärung an die Lebensgefährtin. Deutlich sind oft noch die Strukturen großer Blätter zu sehen, Adern und Lebenslinien gleich ziehen sie sich durch sein Werk.

Obwohl in den Bildern auch die Themen Vergänglichkeit, Verfall und Tod mitschwingen, sind sie für Bringfried-Johannes Pösger Ausdruck des Lebens. Indem er Blätter und Gräser dem Zerfallsprozess der Natur entnimmt, sie trocknet und in seine Bilder einbindet, bewahrt er ihre Lebensspur. Jedes seiner Werke versteht er als eine Wertschätzung des Lebens. Lachend erzählt er, dass eine Betrachterin ihn einmal aufforderte, er solle doch fröhlichere Bilder malen. Gerade "als Kontrapunkt gegen die lärmende Welt, die auch optisch zu laut ist" setze er seine Bilder, die auch daran erinnern, dass Farbe für die Menschen einst etwas sehr Kostbares war.

Laute Fröhlichkeit findet man hier also nicht, aber Ruhe, Kraft und auch eine gute Portion Humor, wenn Pösger. z.B. schmunzelnd erzählt, dass er den Untergrund, den er für die Arbeit "Bergrücken" verwendete, aus einem alten Fernsehkarton gerissen hat.

Den Widerspruch, der sich in der scheinbaren Wertlosigkeit der Materialien und der Wertigkeit der Bilder findet, hat eine österreichische Bäuerin einmal ganz treffend zusammengefasst: "Wir treten mit den Füßen drauf rum und der macht so was da draus." Diese kleine Episode ist für Bringfried-Johannes Pösger auch deshalb bemerkenswert, weil er durch die Arbeit mit den Naturmaterialien oft Menschen anspricht, die mit zeitgenössischer Kunst sonst nicht viel anzufangen wissen. Der Künstler möchte Grenzen überwinden und Widersprüchliches verbinden, nicht nur als Künstler, sondern auch als Philosoph. Er stellt in seinen "Feuergedanken" Fragen, die die Werte und Glaubensvorstellungen unserer Gesellschaft abklopfen. "Ich sehe in diesen Gedankenskizzen eine Anregung zum Selbst-Denken, ein Angebot, sich mit den eigenen Glaubenssätzen auseinanderzusetzen. Ich lade jeden Freitag zu einer Lebensrunde ein, in der wir über Grundfragen philosophieren. Teilnehmen kann jeder, ohne philosophische Vorkenntnisse, sofern er eigenverantwortlich denken mag."

Für Bringfried-Johannes Pösger ist diese philosophische Arbeit ebenso wichtig wie die künstlerische zu der neben den Naturkonzeptbildern auch Fotoarbeiten gehören, die "Lichtspurkompositionen". Als kreative Herausforderungen sieht er auch Fragen nach Lebensführung und Partnerschaft.

Für mich, die ich gerade einen Waldspaziergang im Atelier in der Stubenrauchstraße gemacht habe und dabei so manche Kostbarkeit entdecken durfte, ist es schwer, den Gedanken des Künstlers hier zu folgen. Ich freue mich über die heiße Tasse Tee zum Abschied und mache mich langsam auf den Rückweg. Die grauen Bäume und Straßen sind immer noch da, Lärm und Buntheit auch, die Stadt hält keinen Winterschlaf. Aber als ich regennasses braunes Laub im Vorgarten sehe, muss ich doch lächeln. Ob ich es wohl aufheben sollte?

Termine:
Laufende Ausstellung
"Berge I" verlängert bis 2. März,
Di und Do 17 - 19 Uhr
Dienstag, 2. März 2004, 17 - 21 Uhr Finissage "Berge I" und Vernissage "Berge II", 19- 21 Uhr

Jeden Freitag von 20 - 22 Uhr Treffen zur "Lebensrunde", um telefonische Voranmeldung und 5 Euro Spende wird gebeten.

Alle Termine finden statt im

Lebenskunstatelier
Bringfried-Johannes Pösger
Stubenrauchstraße 4, 12161 Telefon: 030 / 851 76 591
e-mail: info@lebenskunst-atelier.de

Eine umfangreiche Website gibt Auskunft über das künstlerische und philosophische Werk Bringfried-Johannes Pösgers:
www.lebenskunst-atelier.de

© Doris Kollmann


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