gestern: Der Sportpalast - heute: Das Pallasseum
 
 
Sportpalast? Was und wo war das noch mal? Während die Älteren sich genau erinnern, fangen die Jüngeren an zu rätseln. Er stand auf dem Eckgrundstück Potsdamer Straße/ Pallasstraße, wo sich heute der Wohnblock "Pallasseum" befindet. Warum wird hier über ein längst nicht mehr vorhandenes Gebäude berichtet?
Die "Internationale Sportpalast- und Winter-Velodrom GmbH" kaufte das Grundstück 1909 und ließ von Hermann Dernburg für drei Millionen Mark den Sportpalast errichten. Mit einer Revue "Weihnachten am Nordpol" wurde er im November 1910 eröffnet. Das Gebäude war sensationell für die damalige Zeit: Hier gab es die größte Kunsteisbahn der Welt mit 10.000 Zuschauerplätzen. Eishockey und Eisschnelllauf wurden hier 1925 erstmalig in Berlin präsentiert. Ebenso beliebt waren die Eiskunstläufer, allen voran Sonja Henie, die hier große Triumphe feierte.

Legendär wurde der Sportpalast aber durch die dort veranstalteten Sechstagerennen. Der Sportpalastwalzer, begleitet von den akzentuierten Pfiffen des Berliner Originals "Krücke", ist heute noch bekannt. Nach dem Krieg wurde versucht, an diese Tradition anzuknüpfen. Mit mäßigem Erfolg. Der wirtschaftliche Betrieb war nicht mehr möglich, der Palast wurde 1974 abgebrochen.

Zwischen den "golden Twenties" und der Nachkriegszeit erlangte der Sportpalast traurige Berühmtheit: Hier hielt Joseph Goebbels seine Rede mit dem Satz "Wollt Ihr den totalen Krieg?". Diese Frage, die alles zusammenfasst, was an Durchhalteparolen und Endsiegpropaganda zu dieser Zeit verkündet wurde, ist aus diesem Haus hinaus in alle Welt übertragen worden.

Heute wundert man sich, warum der Sportpalast nicht unter Denkmalsschutz gestellt wurde, aber vielleicht wollte man Erinnerungen tilgen. Der Wohnblock, der dann in den siebziger Jahren entstand, hat nicht nur hinsichtlich der Nutzung keinerlei Ähnlichkeit mit dem Vorgängerbau. Der benachbarte Hochbunker musste in den Gebäude-komplex integriert werden, weil er allen Versuchen der Beseitigung widerstand.

Der Vorplatz wurde komplett überbaut, das Grundstück weist nach heutigen Maßstäben zu wenig Freiflächen auf. 541 Wohnungen entstanden. Lange, interne Erschließungsflure ließen von Anfang an kein Gefühl individuellen Wohnens mit überschaubarer Nachbarschaft aufkommen.

So mussten in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen werden, um die Mieterschaft aus 24 Nationen zu einer Hausgemeinschaft werden zu lassen:

  • Dazu beigetragen hat der Wettbewerb für den neuen Namen. Mit "Pallasseum" hat eine Schülerin den ersten Preis gewonnen. Und, zugegeben, das klingt doch nach Urlaub, Kunst und Kultur, weckt angenehme Assoziationen!
  • Das Quartiersmanagement im Haus engagiert sich für den Ausgleich von Konflikten zwischen den Mietparteien und nimmt sich der nachbarschaftlichen Probleme an. Darüber hinaus wird in Sozialprojekte im näheren Umfeld investiert. Knapp acht Millionen Euro Fördermittel der EU und der Senatsverwaltung sind seit 1999 ausgegeben worden.
  • Eine positive Entwicklung im Haus wurde durch die baulichen Veränderungen bewirkt, die vom Eigentümer, der Pallasseum Wohnbauten KG, durchgeführt wurden: Glaswände statt abgeschotteter Flure und eine neue Gestaltung der allgemein zugänglichen Räume. Hohe Summen wurden in den letzten Jahren dafür aufgebracht.

Sämtliche Maßnahmen sollen dazu führen, dass diese Ecke, die vor einiger Zeit als sozialer Brennpunkt galt, zur normalen Wohnlage wird. Der Erfolg ist schwer messbar. Da es jedoch, anders als in anderen Quartieren, kaum Leerstand gibt, kann man davon ausgehen, dass ein Wandel stattgefunden hat.

Marina Naujoks

Juli 2004  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis