PallasT - Drugstore - Potse
 
 
Das große Haus an der Potsdamer- Ecke Pallasstraße

Die älteren Schöneberger und Schönebergerinnen erinnern sich vielleicht noch an das Teppichhaus Lefèvre, lange Jahre zierte der Reklameschriftzug die Fassade des großen Bürohauses in Potsdamer- Ecke Pallasstraße. Und dann eines Tages war er verschwunden, ebenso wie "Radio Bree am Sportpalast" und andere alte Geschäfte. Heute steht "PallasT" an der Fassade, eine Abkürzung für Jugend- und Kulturhaus PallasT, und an den großen Fenstern über der Potsdamer Straße finden sich im 2. Stock die Namen "Drugstore" und "Potse"- 3 Jugendzentren, wie sie unterschiedlicher nicht sein können.

Der "PALLAST" hat seine Wurzeln in alten Westberliner Projekten: Engagierte SozialarbeiterInnen, ErzieherInnen und andere an der Arbeit in der Kinder-, Jugend- und Familienförderung Interessierte begannen, sich um die Kinder der im damals so genannten "Sozialpalast" untergebrachten sozial schwachen Familien zu kümmern, Hilfen anzubieten, um sie zu befähigen, ihr Leben selbständig zu gestalten. Sog. Stadtteilläden wurden gegründet - u.a. der "Pallasladen" - die den Bewohnern der Umgebung die Möglichkeit boten, sich ohne große Formalitäten Rat und Hilfe zu holen. Kurse wurden abgehalten, in denen speziell Frauen ihre Fähigkeiten entdecken und entwickeln konnten und u.a. Schulabschlüsse nachholten und Weiterbildungen absolvierten.

In dieser Zeit wurde auch der "Verein für sozialpädagogische Sondermaßnahmen" gegründet, aus dem dann das "DRUGSTORE" hervorging, ein links-alternatives Projekt, das sich damals vorrangig um TreberInnen kümmerte, also um Jugendliche, die von zu Hause weggelaufen waren und dringend Unterstützung brauchten, Räume, in denen sie wohnen, leben und arbeiten konnten. In diesem Zusammenhang wurde dem Verein das bekannte Thomas-(Tommy-) Weisbecker-Haus für die Jugendlichen als sog. "Weglaufhaus" zugesprochen. Auch heute noch suchen jugendliche TreberInnen Kontakt zum Drugstore.

Die heutigen MitarbeiterInnen im PALLAST verstehen sich als zuständig für die Nachbarschaftsarbeit mit den ca. 6-14jährigen Kindern der näheren und weiteren Umgebung, die ihre Freizeit im sog "KinderPallasT" verbringen, und mit deren Familien. Etwa 75% der Nutzer und Nutzerinnen der Einrichtungen des PallasT sind nicht-deutscher Herkunft. ErzieherInnen und Honorarkräfte bieten den Kindern und ihren Familien täglich gemeinsam mit weiteren Gruppen und Vereinen, die sich im PallasT engagieren, eine Fülle von Kursen und ein breites Programm im spielerischen, kreativen und künstlerischen Bereich an, Beratungen werden abgehalten, Ferienprogramme angeboten, Familienarbeit spielt eine große Rolle mit dem Ziel der Familienstabilisierung. Diese Arbeit wird getragen von der Jugend- und Familienförderung Schöneberg in Kooperation mit dem Stadtteil-VHS e.V.

Das DRUGSTORE setzt auf Selbstorganisation und Eigenverantwortlichkeit von Jugendlichen, es ist ein selbstverwaltetes Jugendzentrum, das sich auf die Fahne geschrieben hat, ein "Freiraum zu sein, in dem sich jeder Mensch, egal welchen Geschlechts, sozialer Herkunft und Rasse, frei und ohne Angst vor Benachteiligung bewegen kann." Mit seiner fast ausschließlich ehrenamtlichen Arbeit, bei Bedarf unterstützt von den SozialarbeiterInnen des "Tommy-Hauses", versteht es sich als eine Anlaufstelle für Schüler, Jugendliche aus Randgruppen und junge Azubis. Die Jugendlichen selbst organisieren die Angebote wie Konzertveranstaltungen mit jungen alternativen Bands, Filmvorführungen, Spiele, handwerkliche Arbeiten etc. Anders als im PallasT handelt es sich im Drugstore meist um deutsche Jugendliche etwa zwischen 15 und 25 Jahren, bei denen das Kind oft schon in den Brunnen gefallen ist. Sie kommen aus allen Teilen Berlins, Jugendliche, die den Einstieg verpasst haben und denen die Gelegenheit verschafft werden soll, sich einzugliedern und Verantwortung zu übernehmen in den basisdemokratischen Strukturen des Drugstore und auch in ihrem eigenen Leben.

Die POTSE bzw. ihre "Macher" konnte ich leider nicht erreichen und muss mich mit meinem Bericht auf ihre Webseite stützen, auf der sie sich als ein Kollektiv bezeichnen "von Punks für Punks, ein linkes Kulturprojekt, das sich z.Zt. vor allem (aber nicht nur) als Veranstaltungsort für Parties und Konzerte 'zum Nulltarif' versteht“. Über dieses "aber nicht nur" hätte ich gern Näheres erfahren und berichtet - vielleicht ein andermal. Auch sie setzen auf Selbstverwaltung und Unkommerzialität, was natürlich nur mit viel ehrenamtlicher Arbeit und Mitarbeit zu erreichen ist. Dieses Kulturprojekt für Jugendliche besteht bereits seit über 20 Jahren, stammt also auch noch aus der Zeit der vielfältigen kreativen Westberliner Projekte, dem es gelungen ist, sich bis in die heutige Zeit hinüberzuretten. Mit ihren Angeboten "zum Nulltarif" schließen sie eine Lücke in dem vielfach überteuerten Kulturangebot für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Auf dem Programm (unter squat.net/potse/termine.php im Netz) stehen Metal, Rock und natürlich Punk, aber auch "Just good Music". Es geht also um Freiheit, Lust und Ekstase, und auch um Protest, alles genauso wichtig wie Beratung und Weiterbildung und durchaus ebenso geeignet, sich selbst zu (er)leben und die eigenen Strukturen zu finden. Und es kann gar nicht anders sein als mit höchster Lautstärke: wo gäbe es gesitteten Protest oder Ekstase in Maßen? (Zu "meiner Zeit" waren es Glenn Miller und der Swing, und wenn Gene Krupa eines seiner legendären Schlagzeugsoli losließ, wurde bis zum Anschlag aufgedreht, bis die Wand wackelte und das ominöse Wort "Negermusik" fiel - nichts Neues also unter der Sonne!)

Allen 3 Jugendprojekten gemeinsam war und ist das Ziel, auf ihre jeweilige Art gesellschaftlich benachteiligte Kinder und Jugendliche zu unterstützen, zu stärken und ihnen zu einem selbständigen Leben zu verhelfen, ihnen über die Klippen hinwegzuhelfen, die es Jugendlichen oft erschweren, sich in die Strukturen der Erwachsenenwelt einzugliedern - ein Thema, das besonders heute wieder brisant ist in Zeiten von Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel, wo Jugendliche nicht viele positive Perspektiven haben.

© Sigrid Wiegand
Redaktion Stadtteilzeitung

Juli 2004  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis