Der Naturpark "Schöneberger Südgelände"
Technik und Natur
Wegweisend
Ab Mai veranstaltet der BUND wieder Führungen auf dem Schöneberger Südgelände

Um 1920 herum wurde der alte Rangierbahnhof Tempelhof nördlich des Bahnhofes Papestraße ausgebaut, und Albert Speers Reichshauptstadtplanung sah 1935 auf dem sog. Südgelände die Errichtung eines gigantischen Südbahnhofs vor. Der 2. Weltkrieg verhinderte jedoch sämtliche Ausbaupläne. Auf dem südlichen Teil des Geländes, den sog. "Rauhen Bergen", wurde nach dem Krieg aus den Trümmern der zerstörten Häuser der "Insulaner" aufgeschüttet, das Wahrzeichen Westberlins, und die an seiner Flanke in östlicher Richtung verlaufende Sandpiste wurde zum Munsterdamm ausgebaut. Der Betrieb auf der über den Bahnhof Priesterweg laufenden S-Bahnlinie wurde 1946 durch die Reichsbahn eingestellt.

Als 1980 über eine erneute Planung eines Bahnhofs für den Güterverkehr verhandelt wurde, gründete sich die Bürgerinitiative Schöneberger Südgelände und erzielte ihren ersten Erfolg: die Bauverwaltung zog den erteilten Rodungsbeschluß zurück und gab ein ökologisches Gutachten über die Tier- und Pflanzenarten des Gebietes in Auftrag, das zu der Feststellung kam: Südgelände und Gleisdreieck gehören zu den wertvollsten Naturflächen in Berlin, und ein Klimagutachten der TU stellte fest: das gesamte Südgelände ist eines der wichtigsten Kaltluftentstehungsgebiete der Innenstadt! In jahrelanger Öffentlichkeitsarbeit in Form von Aktionswochen, Pressekonferenzen, Fotoausstellungen, Fahrraddemonstrationen, Straßenfesten und vielem mehr und mit Unterstützung anderer Initiativen setzte sich die Bürgerinitiative für die Erhaltung des Südgeländes als Naturschutzgebiet und gegen den Bau des Südbahnhofs ein. Im Januar 89 wurde im Rahmen der neuen Vereinbarungen zwischen dem Senat von Westberlin und der DDR der Südgüterbahnhof endgültig aufgegeben und beschlossen, das Südgelände ab Mai 1990 aus der Bahnnutzung zu entlassen. Der neue SPD/AL-Senat strebte die Schaffung eines Natur-Parks auf dem Südgelände an, der in eine 18 km lange Grüntangente von Lichterfelde-Süd bis Heiligensee eingebunden werden sollte.

 

Die Öffnung der Grenzen der DDR führte zu einem Umdenken in der Stadtpolitik. Die Projekte "Pilzkonzept", "Tiergartentunnel" und "Lehrter Zentralbahnhof" schränkten die Chancen für eine Grüntangente mit Naturparks stark ein, nur eine Teilfläche des Südgeländes von 18 ha wurde aus der Bahnnutzung entlassen. Trotzdem konstatiert die Bürgerinitiative 1996: "Die Mühe hat sich gelohnt: Das Natur-Park-Konzept wird umgesetzt!" Das Leitbild ist die Bewahrung der vorhandenen Artenvielfalt, die sich in 20jähriger ungestörter Naturentwicklung herausbilden konnte. Im Jahre 2000 gehörte der Naturpark zu den weltweiten EXPO-2000-Projekten. Er steht allen offen, die die Ruhe und Wildnis eines Naturschutzgebietes mit seinen schützenswerten Pflanzenarten schätzen und nicht unbedingt den Trubel eines Ausflugsrestaurants mit Musikunterhaltung benötigen, um sich wohlzufühlen. Stattdessen kann man täglich ab 9 Uhr früh bis zum Einbruch der Dunkelheit für 1 Euro (!) in dem urwüchsigen Wald, der sich hier ungestört entwickeln konnte, dem Konzert von Nachtigallen, Rotkehlchen und anderen waldbewohnenden Vögeln lauschen und sich von Schautafeln über die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt informieren lassen. Alte Gleis- und Signalanlagen sind von Büschen und Sträuchern überwuchert, Birkenwäldchen gruppieren sich anmutig um Kilometersteine und eichene Bahnschwellen, und die von der Künstlergruppe "Odiousart" in bizarre stählerne Kunstwerke verwandelten bahntechnischen Relikte geben dem Ganzen etwas Geheimnisvolles.

 

Die Natur hat das ehemalige Bahngelände in eine grüne Oase verwandelt, und folgerichtig heißt die begleitende Dauerausstellung auch "Bahnbrechende Natur". Sie ist von April bis Oktober Freitags bis Sonntags sowie Feiertags von 11 bis 19 Uhr geöffnet und informiert mit interessanten Fotos und Texten über die Entwicklung vom ehemaligen Güterbahngelände aus dem 19. Jh. zum heutigen Naturpark mit seiner Fauna und Flora. (Als Zugeständnis an lieb gewordene Bedürfnisse kann man übrigens auch Kaffee und Kuchen bekommen!)

Der BUND-Berlin veranstaltet regelmäßig Führungen im Natur-Park mit unterschiedlichen Schwerpunkten:

Vogelkundliche Führungen mit botanischen Streifzügen von Sonja Dahlmann
Termine: ab 18.4.2004 jeden Sonntag, Letzter Termin: 4.7.2004, Uhrzeit: jew. 9 Uhr
Achtung: Am 6.6.2004 fällt diese Führung aus!

Führungen "Bahnbrechende Natur" von Michael Dahlhaus
Termine: 2.5. / 16.5. / 30.5. / 6.6.2004, Weitere Termine: Ab dem 20.6.2004 jeden Sonntag
Letzter Termin: 3.10.2004, Uhrzeit: jew. 11 Uhr

Wandern und Wundern: Literarische Führungen in Kooperation mit Fuss e.V
Termine 12.6./ 10.7./ 14.8./ 11.9. 2004, Uhrzeit: jew. 15 Uhr
(Kosten 5 Euro, erm. 3.50 - Eingang am S-Bahnhof Priesterweg).

 

© Sigrid Wiegand
Redaktion Stadtteilzeitung

Mai 2004  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis