Deutsch-russischer Kindergarten "Welt-Mir"

Das Alphabet auf Russisch und auf Deutsch (16130 Byte)Sauber, hell, duftend. Das ist der erste Eindruck, den man bekommt, wenn man die Kita Welt - Mir in der Kyffhäuser Str. 28 in Schöneberg betritt. Als die Tür zur Kindertagesstätte geöffnet wurde, schlägt mir und meiner Kollegin Anja, die Fotos für die Zeitung machen soll, ein süßer Vanilleduft entgegen. Galina, die Köchin und "gute Seele" des Kindergartens, zaubert gerade ein warmes Frühstück für ihre 30 Kinder. Die schwirren schon in einem großen Raum umher, dessen Wände lustige Zwerge und bunte Pilze verzieren. Am Klavier blättert Olga in ihrem Notenheft. Sie macht zur Zeit eine pädagogische Weiterbildung. Sofia Eisenbaum und Anna Gerbel, die Erzieherinnen in der Kita, weisen die Kinder auf ihre Position für die Morgengymnastik. Die wird durchgehend mit Klavierstücken begleitet.. Dann begrüßen sich die Kinder mit einem Lied: "Ich will euch begrüßen, hallo, hallo! Und auch unseren Herbst begrüßen wir so, hallo hallo!..."
Dann ein russisches Lied und noch eins in beiden Sprachen. Daß es sich um das gleiche Lied handelt, konnten wir aus den Zeichen und Bewegungen erkennen, die die Kinder beim Singen gemacht haben.

So einladend fängt ein Kindertag im Schöneberger zweisprachigen Kindergarten "Welt - Mir" an. Der Name der Kita ist ein Wortgebilde aus Deutsch und Russisch und übersetzt bedeutet es: Weltfrieden. Die Kinder stammen aus russischen oder deutsch-russischen Familien, und da sie in ihrem Alltag mit zwei Kulturen, wie auch zwei Sprachen und Schriften konfrontiert sind, versuchen die Gründer der Kita ihre Schützlinge auf eine Zukunft in einem multikulturellen Milieu gut vorzubereiten. Die Unterschiede, die die beiden Kulturen trennen, werden dabei nicht negiert oder minimiert, im Gegenteil. Traditionen beider Länder werden gepflegt, für das Land typische Feste mit gestaltet und mitgefeiert.

"Im Laufe der Jahre kamen immer wieder ratlose Eltern zu uns, deren Kinder Schwierigkeiten in der Schule hatten."- erklärt Frau Kousnitsowa, die Leiterin des Zentrums und der Kita "Welt-Mir". "Wir haben einen Bedarf gesehen, Kinder für die Schule gut vorzubereiten. Da unsere Kinder in ihren Familien überwiegend Russisch sprechen und erst in der Schule anfangen Deutsch zu lernen, entstehen dort die Lernschwierigkeiten aufgrund dieser Sprachbarriere. Die Kinder ziehen sich zurück und geraten ins Abseits. Dem entgegenzuwirken, kamen wir auf die Idee, einen zweisprachigen Kindergarten zu gründen. Wir haben Erzieherinnen, die mit den Kindern nur Deutsch, und andere, die mit ihnen nur Russisch sprechen."
"Wir haben ein aufwendiges Lernprogramm entwickelt, das die Kinder schon im Kindergartenalter mit wichtigen Kenntnissen ausstattet. Als Erstklässler sollen sie in der Lage sein zu lesen und zu schreiben, wie auch einfache Rechenaufgaben zu lösen. Natürlich kamen von einigen Seiten scharfe Kritiken auf uns zu. Wir sind aber überzeugt davon, daß die Kinder mit dem Lernprogramm nicht überfordert sind. Sie haben auch genügend Zeit zum Spielen. Unser Kindergarten ist kein Experiment, denn wir greifen auf eine über hundert Jahre lange Erfahrung in Russland zurück", beteuert Svetlana Kousnitsowa, die ehemalige Dozentin für Physik an der Moskauer Uni.

Auf die Frage, ob die Kinder in der ersten Klasse des deutschen Schulsystems nicht unterfordert werden, und sich erst daraus neue Probleme entwickeln könnten, beruft sich Frau Kousnitsowa auf die Entscheidung des Senats für Bildung, Jugend und Sport über ein neues Schulprogramm, das schon im nächsten Jahr an den Schulen in Berlin eingeführt werden soll. Dieses soll frühere Defizite aufarbeiten, der Unterricht soll anspruchsvoller werden.
In der Frühentwicklungsgruppe der Kita-Welt Mir genießen die Kinder auch eine künstlerisch-ästhetische und musikalische Erziehung, bei der sie sogar die Musiknoten lernen.

"Ein zweiter Schwerpunkt des Konzepts ist natürlich die Integration der Kinder in die deutsche Gesellschaft." Der neueste Beweis einer bemühten und erfolgreichen Integration ist die Teilnahme des "Centers der russischen Kultur" an den 15. Berliner Märchentagen. (siehe Programm Seite 10)
Frau Kousnitsowa lädt unsere Leser herzlich ein zu einer Bilderausstellung anläßlich der 15. Berliner Märchentage. Die Schüler der Kunstschule Ermitage - einem Projekt des "Centers der russischen Kultur" - haben Motive aus deutschen Märchen und Sagen gemalt. Die feierliche Eröffnung findet am 5. November um 18 Uhr im Kulturhaus Schöneberg, Kyffhäuserstr. 23 statt. Dabei werden Sie von Aleksandr und Friedrich Kutnewich, einem Vater - Sohn - Duo musikalisch verwöhnt.

Snjezana Kohn
ehrenamtliche Redakteurin

November 2004  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis