Astor Piazolla: Maria de Buenos Aires
 
 
Tango-Operita mit dem Ensemble Opera Latinoamericana und Gästen im Rathaus Friedenau

Im vorigen Monat hat Friedenau wieder einmal gezeigt, was in ihm steckt, hat sein kulturelles und künstlerisch-kreatives Potenzial ausgebreitet und seine Bewohner einen ganzen Tag lang mit Ausstellungen, Lesungen und Vorführungen überrascht und unterhalten. Zum krönenden Abschluss ließ sich sogar ein Paradiesvogel in unserem braven Rathaus nieder: Piazolla hieß das Zauberwort, das viele Menschen in den großen Saal lockte, der mit seinem verblichenen Charme diverser vergangener Epochen nicht so recht zu dem argentinischen Feuer passen wollte und mit seiner dumpfen Akustik den Künstlern das Leben schwer machte. Ich wurde an die unmittelbare Nachkriegszeit erinnert, als Friedenau vorübergehend ein autonomer Bezirk war und schon damals den gestressten, kriegsmüden Friedenauern sog. "bunte Programme" bot, bei denen u.a. ein Rudi Schuricke seine Schlager zum besten gab.

Das hier nun war freilich etwas ganz anderes: Astor Piazolla hat mit seiner Tango-Operita (wohl: kleinen Oper) - aufgeführt im Rahmen der Städtepartnerschaft und des Kulturdialoges Buenos Aires - Berlin 2004 - das uralte Hurenthema aufgegriffen, mit seinen melancholischen Klängen das ewige Drama zwischen den Geschlechtern beschworen, Maria de Buenos Aires zum Symbol für das leidende Weibliche gemacht: "Ich bin der Tango, das Leben, die Liebe, das Leiden!" Es war nicht immer leicht, der komplizierten Handlung zu folgen, denn der Meister hat verfügt, die Oper nur in der Originalsprache aufzuführen. Und so berichtete der mystische Erzähler vom tragischen Schicksal der Maria de Buenos Aires in der klangvollen spanischen Sprache, die wohl auch einzig zu der hochdramatischen Handlung passen mag. Auf einem Screen neben der Bühne erschien der deutsche Text in neuer Übersetzung, je nach Sitzplatz und Lichteinfall mehr oder weniger gut lesbar, und eigentlich störte das Medium des geschriebenen Wortes eher das Gesamtkunstwerk aus Musik, Tanz und Gesang. Ich jedenfalls überließ mich nach anfänglichem Bemühen ganz Piazollas sehnsuchtsvoll-melancholischen Tangoklängen, den schönen Stimmen der Sängerinnen und Sänger, allen voran Erika Rojo in der Rolle der Maria, dem temperamentvollen Spiel und Tanz der Künstler und Künstlerinnen um Lie-be, Tod und Wiedergeburt, ließ mich tragen von der Stimmung der fremdartig anmutenden Geschichte.

Das Ensemble Opera Latinoamericana mit seiner Gründerin Marta Carrizo vereinigt Musiker, Sänger, Schauspieler und Tänzer aus unterschiedlichen Ländern, die mit ihrem leidenschaftlichen Spiel und viel Verve einen glanzvollen Schlusspunkt unter den diesjährigen Friedenautag setzten.

Sigrid Wiegand
Redaktion Stadtteilzeitung

Weitere Vorstellungen sind geplant am 5., 7., 12. und 19. Dezember 2004 im Palais der Kulturbrauerei, Knaackstr. 97, Prenzlauerberg

Oktober 2004  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis