Kunst im Turm und im Tresor
 
 
Das Rathaus am Breslauer Platz, Wahrzeichen Friedenaus, gewinnt vom 19. September bis zum 3. Oktober zusätzliche Attraktivität. Nachdem es schon am Tag des offenen Denkmals hunderte Besucher angelockt hatte, werden die faszinierenden Stockwerke des Rathausturms zwei Wochen lang von Friedenauer Künstlern mit Leben erfüllt. "Uns wurden auch die Besucheretagen des Rathauses für unser Kunstprojekt angeboten, doch der Turm bietet einen besseren Rahmen," sagen die Koordinatoren Doris Kollmann und Amadeus Kramer. Schnell und unbürokratisch gewährte Stadträtin Angelika Schöttler als Hausherrin die Nutzung der sonst unzugänglichen Räume.

"Cirkulär" nennen die 15 teilnehmenden Künstler ihre Ausstellung, um die einende und sich immer wieder erneuernde Energie zu beschreiben, die von Kunst ausgeht und die sie bei der Arbeit im Turm spüren konnten. Diese Erfahrung wollen Kersten Elisabeth Pfaff, Doris Kollmann, Sonja Köditz, Doris Hinzen-Röhrig, Luisa Landsberg, Marianna Fenner-Derafsheh, Gisela Serafin, Edgar Pfeiffer, Claudia Teschner, Dietrich Riemann, Ute Safrin, Bernhard Nürnberger, Hans Hochhaus, Bringfried-Johannes Pösger und Hanah Thiede weitergeben.

"Cirkulär" stehen die Werke zueinander in Beziehung, geleiten in Etappen den Besucher den gewundenen Weg in die Höhe. Von den kühlen Niederungen der Bürokratie über "Mensch und Maschine" in den lichtdurchfluteten Bereich von "Klang und Kontur" mit der Klanginstallation von Ute Safrin; vom künstlich erhellten Verrinnen der Zeit auf der Uhrwerksetage, wo die "Synkope" uns innehalten lässt, bis sich endlich grenzenlos der Himmel um den Besucher ausdehnt, wenn er bei "Öffnung und Ausblick" von der Turmbalustrade den Blick über die Stadt genießen darf.

Ohne es zu bemerken, hat man den Aufstieg hinter sich gebracht, denn jede Etage lockt mit einer neuen Interpretation der Wirklichkeit. Die verschiedenen Gattungen - Malerei, Skulptur, Installation, Performance - haben sich hier in kurzer Zeit zu einer kongenialen Bespielung des ungewöhnlichen Ortes zusammengefunden, der sein Wesen der Kunst weder über- noch unterordnet, sondern an ihr mitwirkt. Von außen ein Prunkstück, atmet das Turminnere eine Sachlichkeit, die ihre Würde aus dem wohlerfüllten Zweck bezieht.

Die Ausstellung wird abgerundet durch das Gegenteil der luftigen Höhe: Im Rathaus waren über einige Jahre ebenerdige Räume an eine Bank vermietet, die von der Ostseite zugänglich sind. Hier, im ehemaligen Schalterraum und im Kellertresor, werden weitere Werke gezeigt. Natur versus Wertpapiere - ein Thema, mit dem sich etwa Bringfried Pösger den Ort anverwandelt.

In steter Wiederkehr rücken die Zeiger der Rathausuhr weiter, verstreichen die Stunden, hält man beim Glockenschlag kaum merklich inne, um dann zu den alltäglichen Verrichtungen oder zu neuen Herausforderungen zurückzukehren. Diese beiden Pole des menschlichen Lebens hebt "Cirkulär" ins Bewusstsein des Betrachters und ihn selbst aus seiner vertrauten Welt heraus, hinauf bis in den Himmel, wo das Auge weiter sehen kann.

Sanna v. Zedlitz

September 2004  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis