Politisches Engagement in der
Bürgerschaft stärken
Im September berichtete Sigrid Wiegand über die Einführung des Bürgerentscheids auf
Bezirksebene. Berlin hat damit als letztes Bundesland dieses Instrumentarium zur
politischen Einflussnahme durch die Bürgerschaft gesetzlich verankert. Doch wie
funktioniert das eigentlich mit dem Bürgerentscheid? Nicht nur die Bürgerinnen und
Bürger, auch die Politik und Verwaltung müssen sich erst mit dem neuen Recht vertraut
machen. Die Initiative Mehr Demokratie hat daher einen "Leitfaden zur
Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in den Berliner Bezirken
veröffentlicht. Sigrid Wiegand hat daraus die zehn Schritte zum Bürgerentscheid für Sie
zusammengefasst:
1. Mitteilung: Bürger teilen dem Bezirksamt mit, dass sie ein
Bürgerbegehren starten wollen. Sie legen eine mit Ja oder Nein zu beantwortende Frage vor
und benennen drei Vertrauenspersonen.
2. Beratung: Die Initiatoren haben ein Recht auf Beratung durch das
Bezirksamt. Das Bezirksamt nimmt eine rechtliche Vorprüfung vor und schätzt die Kosten
des begehrten Anliegens. Rechtliche Bedenken und Kostenschätzung werden den Initiatoren
mitgeteilt.
3. Anzeige: Die Initiatoren reichen die Unterschriftenlisten mit Angabe
der Kostenschätzung ein und können mit der Unterschriftensammlung beginnen.
4. Zulässigkeitsprüfung: Innerhalb eines Monates nach Anzeige des
Bürgerbegehrens prüft das Bezirksamt die rechtliche Zulässigkeit des Bürgerbegehrens.
5. Unterschriftensammlung: Die Initiatoren haben nach Feststellung der
Zulässigkeit weitere sechs Monate Zeit, um die Unterschriften von drei Prozent der zur
BVV Wahlberechtigten zu sammeln.
6. Einreichung der Unterschriften und Feststellung des Zustandekommens:
Nach Abgabe der Unterschriften werden diese innerhalb eines Monats gezählt. Ist das
Quorum erreicht, wird das Zustandekommen des Bürgerbegehrens festgestellt, und die
Schutzwirkung tritt in Kraft: Bis zum Bürgerentscheid dürfen Bezirksamt und BVV keine
dem Bürgerbegehren entgegen stehenden Entscheidungen treffen oder umsetzen.
7. Beratung in der BVV: Innerhalb von zwei Monaten nach Feststellung des
Zustandekommens befasst sich die BVV mit dem Bürgerbegehren. Übernimmt sie das Anliegen
unverändert oder in einer Form, der die Vertrauensleute des Bürgerbegehrens zustimmen,
unterbleibt der Bürgerentscheid. Andernfalls kann die BVV einen Alternativvorschlag mit
zur Abstimmung stellen.
8. Information: Die im Bezirk Wahlberechtigten erhalten Informationen
über Termine und Ort des Bürgerentscheids, über die zur Abstimmung stehenden Vorlagen
und die Argumente der Initiatoren und der BVV.
9. Bürgerentscheid: Spätestens vier Monate nach Feststellung des
Zustandekommens findet ein Bürgerentscheid statt. Stimmberechtigt sind alle zur BVV
Wahlberechtigten. Eine Vorlage ist angenommen, wenn sie eine Mehrheit der abgegebenen
Stimmen erhält, sofern sich mindestens fünfzehn Prozent der Wahlberechtigten am
Bürgerentscheid beteiligt haben. Erhalten zwei Vorlagen eine Mehrheit, entscheidet eine
Stichfrage.
Verbindliche Entscheidungen sind u.a. zu folgenden Themen möglich:
- Rechtsverordnungen zur Festsetzung von Bebauungsplänen, Landschaftsplänen und anderen
baurechtlichen Akten sowie naturschutzrechtliche Veränderungsverbote (soweit bundes- oder
landesgesetzlich nicht anders geregelt)
- Zustimmung zum Erwerb und zur Veräußerung von Beteiligungen des Bezirks an privaten
Unternehmen
- Die bezirkliche Anmeldung zur Investitionsplanung
- Bereichsentwicklungsplanung
- Anträge des Bezirks zur Änderung des Flächennutzungsplanes
- Die Errichtung, Übernahme und Auflösung bezirklicher Einrichtungen oder ihre
Übertragung an andere Träger (z.B. Schulen oder Kitas)
- Empfehlungen und Ersuchen an das Bezirksamt (z.B. dass sich das Bezirksamt gegen ein vom
Senat geplantes Bauprojekt wehren will)...
Laufende Bürgerbegehren
Kreuzberg: Die "Initiative Zukunft Bethanien (IZB)" will die
Privatisierung des Künstlerhauses Bethanien verhindern. Erster politischer Erfolg: am 23.
November beschloß die BVV Friedrichshain-Kreuzberg mit der Dreiviertelmehrheit von
Linkspartei.PDS, SPD und Grünen, die "geplante Abgabe des Hauptgebäudes Bethanien
an den Liegenschaftsfonds mindestens bis zum Abschluß des Bürgerbegehrens
auszusetzen." Gemeinsam mit den Anwohnern, der IZB u.a. soll ein neues
Nutzungskonzept erarbeitet werden. Der CDU-Antrag auf sofortige Räumung der besetzten
Etagen des Südflügels ("New Yorck 59") wurde abgelehnt.
Spandau: Die "Interessengemeinschaft für Bildung gegen
Kürzungswahn" und der "Bezirkselternausschuß Kita /BEA Kita)" kämpfen
gegen die geplanten Kürzungen im Jugendhilfeausschuß des Bezirks.
Wir berichten weiter.
Dezember 2005 Stadtteilzeitung
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