Kampf um das Gleisdreieck
Bürger engagieren sich für ein städtisches Naherholungsgebiet


Was kann daraus werden?Ein erbitterter Streit wird derzeit um ein brachliegendes, jedoch historisch wertvolles Bahngelände im Herzen Berlins geführt: das Gleisdreieck.
Die großzügige Anlage, die heute die Stadtteile Kreuzberg, Schöneberg und den südlichen Tiergarten verbindet, ist seit einigen Jahren Diskussionsobjekt zwischen Berliner Senat und der VIVICO Real Estate sowie der "Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck".

Das Gelände, auf dem zu Anfang des 20. Jahrhunderts Viaduktstrecken der städtischen Hochbahnen errichtet wurden, beherbergte zu dieser Zeit sowohl die Bahnhöfe der Potsdamer Bahn als auch die der Anhalter und Dresdner Bahn.
Nach 1945 beeindruckte es durch das Gedeihen einer außergewöhnlichen Flora und Fauna. Heute soll das weitgehend ungenutzte Gebiet voraussichtlich sowohl den Ansprüchen eines Naturparks und eines Industriedenkmals als auch denen eines Bürgerparks, einer Frischluftschneise und eines "Park der Verbindungen" genügen.

Naturpark oder Stadtkulisse

Mit der Unterzeichnung eines städtebaulichen Rahmenvertrages seitens des Senats und der VIVICO Real Estate, welcher die Aufteilung des Bahngeländes in Bau - und Freiflächen sowie weitere Einzelheiten regeln soll - unter anderem die Kündigung und Räumung der Kleingartenkolonie auf dem Potsdamer Güterbahnhof - entbrannte ein neuer Zwist zwischen den verschiedenen Interessengruppen. Die "Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck", welche sich als "ein Bündnis mehrerer vor Ort tätiger Initiativen und Vereine" versteht, plädiert nach eigenen Angaben für die Errichtung eines großzügigen Naturparks von mindestens 35 ha. Die Organisation besteht auf der Berücksichtigung der unüblichen Vegetation, welche die "Landschaft Gleisdreieck" auszeichne und der strikten Trennung jener von der übrigen Stadtkulisse, gibt der Mitwirkende Matthias Bauer während einer Führung zur Auskunft. Stattdessen sollten die ohnehin leer stehenden Grundstücke an der Flottwell,- Pohl- und Lützowstraße den Bauplänen dienen.
Nach den Richtlinien des genannten Vertrages halten allerdings ausschließlich 23 Hektar der diskutierten Fläche für die Errichtung eines Naturparks her. Der Inhalt eines 1998 abgeschlossenen Vertrages beruft sich auf die "planungsrechtliche Sicherung des Parks", welcher den neuen Bauflächen nicht mehr als 11 ha zuspricht. Heute beklagt die "Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck", dass sich weder die Senatsverwaltung noch die VIVICO an dieses Konzept gebunden sehen würden. Neben dem Konzept, das einen privaten Golfplatz auf dem ehemaligen Potsdamer Güterbahnhof vorsieht, ist die Aufstellung eines Riesenrads im Gespräch. Einem diesbezüglichen Verhandlungspartner, der World Wheel Holding, hält die "Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck" Korruption und Undurchschaubarkeit vor. Darüber hinaus plädiert sie für den Erhalt des "denkmalwerten, Stadtbild prägenden Ensembles" der Yorckbrücken.
Ein bedeutendes Element des Bahngeländes stellt auch die Ladestraße auf dem Anhalter Güterbahnhof dar. Diese kommt einem architektonischen Zeugnis für die Geschichte des Anhalter Bahnhofs gleich, da sie über die Nachvollziehbarkeit der ehemaligen Bahnhofsstruktur entscheidet, meint Matthias Bauer. In Planung ist eine "Weiterentwicklung der Ladestraße", welche die Konstruktion eines Bürogebäudes für die Deutsche Bahn sowie die dritte Ausbaustufe des Technikmuseums vorsieht.

Bürgerbeteiligung

Die Senatsverwaltung räumt den Bürgern jedoch ein Mitspracherecht bezüglich der Gestaltung des Gleisdreiecks ein; ein landschaftsplanerischer Wettbewerb soll die Möglichkeit dazu bieten. Anregungen und Ideen, die aus Umfragen, einem Online-Dialog und Erkundungstouren stammen, sollen den Landschaftsarchitekten vorgelegt und von diesen in ihren Entwürfen soweit wie möglich berücksichtigt werden. Im Frühjahr 2006 werden schließlich zehn der eingegangenen Beiträge von einem Preisgericht aus Politik, Bürgern und Fachleuten zur weiteren Bearbeitung ausgewählt.

Welches Konzept für die Parkanlage realisiert wird, entscheidet sich nach der Entscheidung des Preisgerichts im Sommer 2006. Der "erste Spatenstich" soll laut der Senatorin Frau Junge-Reyer bereits im Herbst desselben Jahres erfolgen. Ab 2007 würde die Gestaltung des gesamten Parks dann in großzügigen Bauabschnitten zügig fertig gestellt.

Alma Rossmarck

Ausführliche Informationen zum Konzept der AG Gleisdreieck finden Sie im Internet unter
www.berlin-gleisdreieck.de


Dezember 2005  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis