Jubiläum im Untergrund
Am 1. Dezember 1910 konnten die Stadtväter von Schöneberg die erste rein kommunale
U-Bahn-Linie Deutschlands in Betrieb nehmen. Sie ist unter den Straßen zu Schönebergs
bekanntesten Plätzen angelegt worden, und mit Stolz und Recht behaupteten die
Schöneberger, ihre U-Bahn ohne Hilfe der Hochbahngesellschaft oder anderer Behörden
selbst gebaut und finanziert zu haben. Zur Erinnerung hängt eine Tafel im Eingang
U-Bahnhof Bayerischer Platz. Nach Inbetriebnahme ist die Begeisterung der Schöneberger
sehr groß gewesen. So konnte man nun vom Bahnhof Hauptstraße bis zum Nollendorfplatz
fahren. Ein- und Ausgang befand sich vor dem "Neuen Schauspielhaus". Nun war es
möglich, zum "Neuen Schauspielhaus" zu gelangen oder auf andere Linien
umzusteigen. Im Jahre 1926 wurde die Schöneberger U-Bahn an das Groß-Berliner Netz
angeschlossen und mit dem Bahnhof Nollendorfplatz verbunden. Heute ist der Bahnhof
Nollendorfplatz ein zentraler Knotenpunkt von vier U-Bahnlinien, der U1, U2, U3 und U4.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 änderten sich teilweise
die Bahnhofsnamen. Aus Bahnhof "Hauptstraße" wurde beispielsweise der Bahnhof
"Innsbrucker Platz". Während des Zweiten Weltkrieges schlugen 1940 die Bomben
auch in die Schöneberger U-Bahnlinie ein. Die Carl-Zuckmayer-Brücke im Rudolf-Wilde-Park
und die darunter verlaufende Verbindung wurden schwer beschädigt. Mitte 1945 begann die
BVG mit den Reparaturarbeiten.
Schon bald konnten die Schöneberger mit der Linie B 1 im Pendelverkehr vom
Nollendorfplatz bis zum Bayerischen Platz fahren. Am Ende des Jahres war dann die gesamte
Strecke bis zum Innsbrucker Platz wieder befahrbar. Nach umfangreicher Umbauphase wurde
1951 auch der Bahnhof "Rathaus Schöneberg" wieder eröffnet. Die BVG
restaurierte nacheinander die Bahnhofshallen, verschiedene Eingänge wurden neu gebaut, so
dass ab Mitte der Fünfzigerjahre alle U-Bahnhöfe wieder genutzt werden konnten.
Mit dem Fortschritt der Zeit änderten sich auch die U-Bahn-Bezeichnungen. Die
Schöneberger U-Bahn firmierte ab 1966 als Linie 4. Auch andere Linien bekamen neue
Nummern. Die wohl bekannteste war die Linie 1, die vom Schlesischen Tor zur Krummen Lanke
führte. Das Musical "Linie 1" hatte im April 1986 im Grips-Theater Premiere und
ist mittlerweile international bekannt. Im Sommer 1984 kamen weitere Änderungen. Die
U-Bahn-Bezeichnung wird von Linie 4 in U4 umbenannt. Im Laufe der Jahre haben sich aber
nicht nur Bezeichnungen geändert, sondern auch Tarifbedingungen. In den Anfängen der
Schöneberger U-Bahn bezahlten die Fahrgäste nur wenige Groschen für eine einfache
Fahrt. Bis heute hat sich der Fahrpreis, auch bedingt durch den Streckenausbau, um ein
Vielfaches erhöht.
Das Streckennetz der U-Bahn umfasst mittlerweile ganz Berlin, und auch die U-Bahn-Waggons
sind bequemer und komfortabler geworden. So können die Berliner immer noch mit der U4 vom
Nollendorfplatz bis Innsbrucker Platz fahren und ein wenig vom "alten Geist der
Euphorie" der Schöneberger miterleben.
Monika Döbler
Dezember 2005 Stadtteilzeitung
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