Gesehen im Cinema am
Walther-Schreiber-Platz: "You can change your life in a dance class" - um nichts
Geringeres geht es in diesem Projekt, das die Berliner Philharmoniker unter Sir Simon
Rattle und der Choreograf Royston Maldoom mit Berliner Schülern und Schülerinnen 2002
auf die Beine gestellt haben: das Leben verändern, Schwung bekommen für etwas Neues,
Disziplin aufbringen für ein großes Werk und die eigenen Kräfte in diesem Prozeß
kennenlernen. 250 Jugendliche wurden ausgewählt, um Strawinskys "Le Sacre du
Printemps" tänzerisch aufzuführen, ausgewählt nicht nach besonderen Begabungen,
sondern als Angehörige von Problem- oder Migrantenfamilien. Keinem von ihnen ist
vermutlich je zuvor die ungewohnte Musik Strawinskys zu Ohren gekommen, keiner hätte je
gedacht, was für eine schwere Arbeit es ist, wenn man etwas wirklich gut machen will. Es
geht also um einen Lernprozeß, und der Choreograf Royston Maldoom erweist sich als ein
hervorragender Pädagoge. Mit unendlicher Geduld und Beharrlichkeit erklärt er den
Jugendlichen immer und immer wieder, worauf es ankommt: aufpassen, konzentrieren,
ernstnehmen, was man tut, Verantwortung für sich übernehmen. Royston Maldoom versteht
sie und nimmt sie ernst, aber er fordert sie auch und läßt nichts durchgehen, anders als
die begleitende Lehrerin, die zu früh um Schonung bittet und damit eher die eigene
negative Einstellung der Schüler unterstützt. Trotz aller Strenge gelingt es ihm, die
Jugendlichen bei der Stange zu halten und zu motivieren, ihnen Selbstvertrauen zu
vermitteln. Wunderbar und anrührend der Moment, als sie zum erstenmal das Gefühl für
das gemeinsame Werk bekommen und die Gewißheit, daß sie es schaffen können; daß es
nicht nur Spielerei ist, sondern etwas Größeres. Man merkt auch dem Choreografen die
Freude an: auf diesen Moment hat er gewartet!
Der Film, der nach diesem Projekt gedreht wurde, ist auch eine Herausforderung für die
Zuschauer: alle Gespräche und Dialoge finden in englischer Sprache statt (deutsch
untertitelt). Nur am Rande kriegt man mit, daß da auch ein Übersetzer für die
Jugendlichen am Werk ist; wichtig ist für sie die Zugewandtheit und Eindringlichkeit, mit
der Royston Maldoom mit ihnen spricht. Einige erzählen ihre eigene Geschichte: Marie, die
sich damit abgefunden hat, daß sie nicht viel leistet, weil sie zu träge ist; ihre
Freundin Lena, die immer mit einem Bein draußen zu stehen scheint; oder Martin, der sich
nicht anfassen lassen mag und überhaupt lieber in Ruhe gelassen wird; der junge
Nigerianer, für den das Ganze eine Hilfe sein soll, die fremde Kultur, die er zunächst
gar nicht zu sehen vermag, kennenzulernen und Kontakt zu den Menschen hier zu bekommen.
Parallel dazu sieht und hört man Simon Rattle mit den Berliner Philharmonikern
Strawinskys "Sacre" proben, wie er die Feinheiten der Musik herausholt, wie er
die Musiker durch seine Begeisterung mitreißt. Auch er erzählt von seiner Arbeit und dem
Projekt mit den Jugendlichen; ebenso Royston Maldoom, der mit viel Einfühlungsvermögen
seine Ideen entwickelt, die Schüler an ernsthaftes Arbeiten heranzuführen und ihnen die
Freude an ihrer eigenen Leistung zu vermitteln. Die Aufführung in der "Arena"
in Treptow, die man mit Genuß und Freude ansieht, zeigt es dann: sie haben Erstaunliches
erreicht und haben eine bemerkenswerte Entwicklung gemacht. Marie spricht von Plänen für
die Schule, Martin will vielleicht beim Tanz bleiben. Ein schöner und berührender Film.
Solche Pädagogen und solche Projekte kann es nicht genug geben!
Sigrid Wiegand
Nächste Termine:
Cinema am Walther-Schreiber-Platz
bis 9.2.2005, Tel.: 852 30 04
Bundesallee 111 / 12161 Berlin
THALIA MOVIE MAGIC
10. bis 23. Februar
Thaliaweg 17a, 12249 Berlin
030-77 434 40
BALI
24. Februar bis 2. März
Teltower Damm 33, 14169 Berlin
030-811 46 78
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