Der Friedenauer "Künstlerfriedhof"

10 Jahre nach der Gründung Friedenaus, im Jahre 1881, war es bereits erforderlich, daß sich die Friedenauer Gedanken über einen eigenen Friedhof machten, da dem bislang mitgenutzten Friedhof der Nachbargemeinde Deutsch-Wilmersdorf Überfüllung drohte. So entstand zwischen Südwestkorso, Stubenrauch- und Fehlerstraße auf einem Gelände, das eigentlich für einen weiteren schönen Platz vorgesehen war, der kleine, intime "Friedhof Schöneberg III", und wie der Tod zum Leben gehört, spiegelt sich auf ihm das Friedenauer Leben und seine Geschichte wider. So tragen Grabsteine Namen, die wir von Friedenauer Straßen her kennen: Roenneberg, Hertel, Homuth, Fehler, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker der Gründerzeit. Sie und ihre Familien fanden hier als erste ihre letzte Ruhestätte.

Damals dachte man noch nicht an einen "Künstlerfriedhof", obwohl natürlich auch nach und nach die Künstler und Künstlerinnen aus dem Wagnerviertel und seiner Umgebung Eingang auf den Friedhof fanden. Aber so richtig offiziell als Künstlerfriedhof etablierte sich der "Städt. Friedhof Schöneberg III" wohl erst, nachdem Marlene Dietrich 1992 hier zur letzten Ruhe gebettet wurde, wenn schon nicht direkt neben, so doch ganz in der Nähe ihrer Mutter Josefine von Losch, wie es ihr Wunsch gewesen ist. Kurz nach ihrer Beerdigung schmückte übrigens ein anderer Stein eines alten Pariser Freundes das Grab der eleganten Diva, "Sag mir wo die Blumen sind" stand darauf und wollte soviel besser zu ihr passen als die seltsam knorrigen, martialischen "Marken ihrer Tage". Daß das Grab trotzdem oft bunt und ein bißchen verrückt aussieht, dafür sorgen die vielen schwulen Besucher, deren Ikone sie war und ist und die manchmal Rosen und halbvolle Sektgläser auf dem steifen Stein hinterlassen: "Auf dein Wohl, Marlene!" Ich komme oft dort vorbei, wenn ich das Grab meiner Eltern pflege, denen es bestimmt gefallen hätte, daß sie fast Kopf an Kopf mit Marlene Dietrich begraben sind.…
Der zweite international bekannte Star mit großem Flair, der nun dem kleinen Vorstadtfriedhof Glanz verleiht, ist der 2004 verstorbene Fotograf Helmut Newton, auch ein geborener Berliner, der Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus verlassen mußte und nun wiedergekehrt ist.

Viele hier begrabene Künstler und Künstlerinnen habe ich erst in der Broschüre "Friedhof Schöneberg III - 'Künstlerfriedhof' Friedenau" von Helmuth Pohren-Hartmann gefunden, ein interessanter, ausführlicher Friedhofsführer, der in der 1. Auflage bereits vergriffen ist, demnächst aber in der 2. Auflage erscheinen wird und für alle, die an Friedenauer Geschichte interessiert sind, ein Muß ist.
Titelbild der Broschüre  (42612 Byte)
Als "Einheimische(r)" kann man hier aber auch noch ganz andere Entdeckungen machen: immer wieder mal finde ich bekannte Namen - meine alte Lehrerin liegt hier, unser früherer Fleischermeister, Geschäftsleute, die ich noch zu ihren Lebzeiten kannte; auch Familiennamen von Klassenkameradinnen kommen mir gelegentlich unter. Und zu den Kriegsgräbern auf dem Rasen am Haupteingang weiß ich noch die traurige Geschichte: hier liegen Friedenauer und Friedenauerinnen, die noch in den letzten Kriegswochen Opfer von Bombenangriffen wurden, u.a. eine Anzahl von ihnen, die vor einem Laden in der Blankenbergstraße nach Fleisch anstanden. Man hätte selbst darunter sein können...

Im Laufe von 125 Jahren ist der Friedenauer Friedhof zu einem parkartigen Gelände herangewachsen mit hohen, alten Bäumen, Hecken und Blumen. Wie überall, findet sich Kitschiges neben Geschmackvollem, Findlingsblöcke neben trauernden Engeln, spielzeugeschmückte Kindergräber. Imposante Familiengräber können zum Teil erworben werden mit der Verpflichtung, sie wieder herzurichten. Interessant auch das sog. "Kolumbarium", eine im 1. Weltkrieg erbaute Urnenhalle, die erste ihrer Art auf Berliner Friedhöfen. Die kleinen Urnenstellen werden jetzt allerdings nach und nach aufgelassen und hinterlassen bisher, da sie nicht mehr gepflegt werden, brachenähnliche Flächen. Hier muß sich die Friedhofsverwaltung wohl noch etwas einfallen lassen, wenn sie Staat machen will mit den berühmten Namen!

Sigrid Wiegand

 

Februar 2005  Stadtteilzeitung Inhaltsverzeichnis

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