Leserbrief zum Artikel "Kröten für den Walther-Schreiber-Platz"


  
Liebe Redaktion,

irgendwie gelingt es mir leider nicht regelmäßig, stets eine Ausgabe der "Stadtteilzeitung" in die Finger zu bekommen, doch jede Nummer, die mich erreicht, lese ich mit Gewinn. Heute möchte ich endlich einmal meine Anerkennung und meinen großen Dank an die fleißigen Schreiberinnen und Schreiber weiterleiten, die mit viel Engagement und wachen Augen beobachten, was in unseren Kiezen an erfreulichen und unerfreulichen Dingen passiert. Das ist vor allem eine Reaktion auf die Juni-Ausgabe der Zeitung und noch genauer: auf einen Artikel von Rita Maikowski über das Drama um das gigantomanische Bauvorhaben am Walther-Schreiber-Platz.

Ich bin eine Anwohnerin, wenn auch ein paar Meter abseits vom eigentlichen Schauplatz des Geschehens, und muss sagen, dass ich mich durch diesen Bericht erstmals richtig informiert gefühlt habe. Daneben sehen alle kommerziellen Blätter nackt aus, die ziehen gewöhnlich erst nach, wenn es geschaffene Tatsachen gibt, es also zum Handeln/zur Abwehr zu spät ist. Dass Rita Maikowski den Skandal zu einem frühen Zeitpunkt aufgegriffen, den ökonomischen Aberwitz aufgezeigt und zudem angesprochen hat, welch unglückliche Rolle die dumme, kurzsichtige Konkurrenz zwischen den beiden Bezirken Schöneberg und Steglitz spielt, finde ich beispielhaft für guten, aufklärenden Journalismus. Wenn die Leser/innen erfahren, wie die politischen Entscheidungsträger im Bezirk und die Vertreter der unterschiedlichen Parteien sich in dieser Sache verhalten, können sie staunend mehrerlei erkennen: nicht nur, wer sich zum Sachwalter welcher Interessen macht, sondern vor allem, dass es im Grundsatz um politische Entscheidungen geht, also jede/r von uns aufgefordert ist, auf diese Einfluss zu nehmen.

Mein erster Schritt dazu war, dass ich, ermuntert und angesteckt noch durch eine umsichtige Nachbarin, zu einem Treffen der. Anwohnerinitiative marschiert bin. Ich habe keine Ahnung, wie die Chancen stehen, das Schlimmste doch noch abzuwenden, aber ich möchte mich mit in die Reihe derer stellen, die es wenigstens versuchen. Es kann doch nicht sein, dass allein das wirtschaftliche Gewinnstreben Weniger darüber entscheidet, in welcher Stadtumgebung wir leben müssen. Im übrigen müsste selbst den Wirtschaftsunternehmen das Licht aufgehen, dass die diversen Bauprojekte in der Schlossstraße zusammengenommen widersinnig sind und sich gegenseitig das Wasser abgraben. Was kann man in einer Einkaufsstraße, die jetzt schon mit Kaufhäusern und Läden voll gestopft ist, noch zusätzlich an Verbrauchern abschöpfen? Sind die Anwohner bloß noch die Anhängsel fremder Profitgier, die alles niedermetzelt, was ihr in die Quere kommt? Und wer trägt die Kosten, muss die Folgen ausbaden - warum nimmt niemand Anstoß daran, dass die negativen Effekte "sozialisiert", sprich der Gemeinschaft aufgebürdet werden?

Wir sind auf dem Weg in eine verdrehte Welt, in der die Menschen der Wirtschaft gehorchen und sich deren Willen unterwerfen sollen. War das nicht mal umgekehrt gedacht?

Bei Rita Maikowski möchte ich mich für ihre Aufklärungsarbeit bedanken und sie ausdrücklich bitten, weiter an diesem Thema zu bleiben - um den Bürger/innen eine öffentliche Stimme zu geben, die sie in den übrigen Medien in dem Fall offenkundig nicht haben, und vielleicht sogar den ein oder anderen politischen Verantwortlichen in den Bezirken aufzuwecken. Schließlich stehen ja in nicht allzu entfernter Zeit mal wieder Wahlen an. Und man kann Mandate auch entzogen bekommen.

Mit freundlichen Grüßen an die Redaktion

Heidi Hilzinger

 

Juli/August 2005  Stadtteilzeitung Inhaltsverzeichnis

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