Gewerbe im Kiez: Der Eisenwarenladen


  
Geht nicht, gibt `s nicht!

Urlaubsfreuden: Eintauchen in verwinkelte Gässchen einer Altstadt und dort die kleinen, bezaubernden, zum Bersten vollgestopften Lädchen aufspüren. Muss man gar nicht für verreisen: direkt um die Ecke finden sich vielfach wahre Schätze.

Zum Beispiel "Der Eisenwarenladen" in der Begasstraße 3 am Dürerplatz. Hier gibt es nichts, was es nicht gibt. Einige Kunden setzten sogar schon ihren Ehrgeiz ein, um Bernd Götting in Verlegenheit zu bringen, bisher ohne Chance. Zusammen mit seiner Frau Helga führt er den von Georg Obel 1937 gegründeten Laden mit dem vielfältigen und teilweise kuriosen Sortiment seit 1976, die Familientradition fortsetzend. Alles was nur annähernd zum Heimwerker-, Haus- und Gartenbedarf zählt, findet sich wohlgeordnet in Regalen und säuberlich beschrifteten Schubläden verstaut in dem kleinen, bunten Laden. Von alten Werkzeugen wie einer Schweineklauenzange oder einer Markierungszange für zarte Schafsöhrchen - in letzter Zeit eher weniger gefragt - bis zu den jetzt für den Sommer anstehenden Gartenmöbeln, Sonnenschirmen und zum Strandburgenbauen unerlässlichen Gerätschaften - alles da. Ofenrohre, Mokkabürsten (tja, da wüssten Sie jetzt gerne, was das ist, nicht wahr?), Fliegenschirme (sehr praktisch zum Zusammenfalten), Mausefallen und natürlich das komplette Sortiment an Schrauben, Dübeln und Scharnieren - auch einzeln zu erstehen. Und die Abteilung Haushalt und Geschenke kann sich ebenfalls sehen lassen.

Was sich nicht auf den ersten Blick erschließt, ist die eigentliche Seele. "Wir verstehen uns als Dienstleister, verkaufen ist eine Sache, Problemlösungen zu finden eine andere - und die viel interessantere" meint Bernd Götting. "Mit unserem Fachwissen und jahrzehntelanger Erfahrung haben wir schon vielen verzweifelten Kunden helfen können. Wir nehmen uns Zeit für ein Gespräch, analysieren das Problem und finden eine Lösung." Und garantiert das richtige Utensil dafür.

Bernd Götting liebt seinen Beruf, der Umgang mit Menschen ist ihm wichtig. Es gibt Kunden, denen er bereits als Kinder die Sandschippen verkauft hat und deren Kindern er nun bei kleinen Pannen beim Dreirad oder Fahrrad Hilfe leistet. Das ist ein weiterer Aspekt der Geschäftsphilosophie: Nachbarschaftshilfe im Sinne eines sozialen Auftrages. "Es gibt einige ältere Mitbürger, die kommen einfach nur her, um ein Pläuschchen zu halten, sie melden sich sogar bei mir ab, wenn sie in Urlaub gehen und berichten dann nach ihrer Rückkehr von ihren Erlebnissen."

Die neu entstehenden Shopping-Malls in der Schloßtraße sieht er für sich persönlich nicht als Konkurrenz, aber trotzdem mit gemischten Gefühlen. "Unser Geschäft basiert auf Fachkompetenz und Beratung, so etwas finden die Kunden in einem Massenbetrieb nicht. Das Problem liegt eher darin, dass durch die Konzentrierung von Geschäften in diesen Einkaufszentren die Umgebung eine "Verarmung" erfährt, und zwar im Sinne von leeren Straßen. Ich befürchte, dass der Einzelhandel dem übermächtigen Konkurrenzdruck weichen muss. Dann fehlt der Anreiz für einen Bummel im Kiez und damit die Gelegenheit, Nachbarn zu treffen, sich auszutauschen und Kontakte zu pflegen. Das wird vor allem für die älteren Mitbürger ein echtes Problem werden".

Langeweile dürfte damit bei Bernd und Helga Götting in Zukunft nicht aufkommen.

Rita Maikowski

 

 

Juli/August 2005  Stadtteilzeitung Inhaltsverzeichnis

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