"Alles auf Zucker!"
Nominiert für den deutschen Filmpreis
Regie Dani Levy. Deutschland 2004

Eine Ost-West-Geschichte - so scheint es: Zwei verfeindete Brüder, die sich jahrzehntelang nicht gesehen haben. Die Mutter war mit dem "Lieblingssohn" lange vor dem Mauerbau nach Frankfurt am Main gegangen, der andere ist in Ostberlin geblieben, sozusagen verlassen worden, glaubt er und hat einen Haß auf Mutter und Bruder. Der andere kann den "Sturkopp" von Ostbruder auch nicht leiden. Nun ist die Mutter gestorben und hat beiden ihr Vermögen hinterlassen, mit der Bedingung, daß sie sich wieder vertragen. Da beide pleite und auf die Erbschaft dringend angewiesen sind, muß also die Versöhnung her. Ein Plot, aus dem sich eine Menge machen läßt.

Es kommt aber noch schöner: die beiden Brüder heißen Jakob und Samuel Zuckermann und sind Juden! Da ist also noch mehr drin. Der Ostbruder hat sein Judentum längst abgelegt und nennt sich Jaecki Zucker, der andere ist strenggläubig und rückt mit der gesamten Mischpoche und der toten Mutter an, die auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee begraben werden will - mit seiner fetten Frau Golda, einem Prototyp einer jüdischen Mamme, dem orthodoxen Sohn mit Bart und Kippa und einer flotten Tochter. Jaecki, ein Spieler (Billard) und Hallodri, eben von seiner Frau rausgeschmissen und sozusagen auf dem letzten Loch pfeifend, versucht schnellstens, seine "Lieben" wieder zusammenzukriegen und dem Bruder eine harmonische jüdische Familie vorzuspielen, eine gewaltige Leistung für seine Frau und den Sohn, die von jüdischen Sitten und Gebräuchen nicht den blassesten Schimmer haben. Aber die Testamentsbedingungen verlangen es und werden von einem alten Rabbi (wunderbar: Rolf Hoppe) überwacht - was tut man nicht alles fürs Geld!

Eine jüdische Trauerzeremonie wird anberaumt, just zu dem Termin, wo Jaecki zu einem wichtigen internationalen Billardturnier antreten soll, das er gewinnen muß, um einen Offenbarungseid abzuwenden! In diesem turbulenten Durcheinander gibt es die witzigsten und absurdesten Situationen: Jaecki simuliert Herzattacken, vermeintliche Krankenhausaufenthalte finden in der Billardhalle statt, seine Frau verheddert sich in der angeblich koscheren Küche - kein Klischee wird ausgelassen, sorgt aber für viel Heiterkeit im Publikum. Allmählich läuft das Ganze jedoch etwas aus dem Ruder: ein simulierter Herzinfarkt zuviel, noch eine rasante Fahrt im Krankenwagen, ein weiteres Billardturnier mit auseinanderspritzenden Kugeln. Und als dann auch noch die Kinder der beiden Brüder mit verwickelten Geschichten in die Handlung einbezogen werden, geht einem langsam etwas die Puste aus.

Am Schluß natürlich Friede, Freude, Eierkuchen. Buchstäblich in den letzten Minuten kommen die Brüder, die sich bisher nur angegiftet haben, doch noch ins Gespräch, Jaecki gibt zu, daß er es war, der das Sportinternat in Ostberlin nicht hatte verlassen wollen, und Samuel sieht ein, daß man ihn ja mal hätte besuchen können. Die Versöhnung findet also statt und erweist sich als der Hauptgewinn; denn - wen wundert's: das Positivste, was man von dem Erbschaftskonto sagen kann: es ist im Plus!

Die überkonstruierte Handlung wird grandios getragen von dem hervorragenden Darsteller-Dreigestirn Henry Hübchen als der Schlawiner von Ostbruder, Hannelore Elsner als seine Frau, mutig ein ungeschminktes Gesicht in die Kamera haltend und gar nicht so schlecht mit dem Berliner Dialekt kämpfend, und Udo Samel, großartig als Samuel, der Familienpatriarch aus Frankfurt am Main!

Nominiert für den Deutschen Filmpreis (die 'Lola') 2005. Verteilung des Preises am 8. Juli in Berlin. Am 4.6. um 22.30 Uhr zu sehen im Bundesplatz Studio.

©Sigrid Wiegand

Juni 2005  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis

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