Bürgerengagement im öffentlichen Raum
Bürgerschaftliches Engagement bewegt sich im Spannungsfeld des öffentlichen Interesses und privater Wunschvorstellungen. Wir möchten mit Ihnen zu diesem Thema ins Gespräch kommen. In der nächsten Ausgabe berichtet Sigrid Wiegand über den Stand der Diskussion zum Bürgerbegehren und Formen der politischen Mitbestimmung. Schreiben Sie uns! Was ist Ihnen wichtig am Bürgerschaftlichen Engagement!

Doris Kollmann sprach mit einem Anwohner über Bürgerinitiativen zur Stadtraumverschönerung

Kollmann: "Herr Anwohner, Sie riefen mich an, weil Sie sich über die Neupflanzung der sogenannten Bürgerlinde und der dazugehörigen Geranien aufregen. Die Pflanzung befindet sich am Breslauer-Platz, Ecke Hedwigstraße. Was ist denn schlecht daran, wenn Bürger ihre Stadt verschönern?"

Anwohner: "Um es gleich einmal vorneweg zu sagen, ich habe nichts gegen die Linde, mich stört die so peinliche Gestaltung dieser Pflanzung, dass da fünf Geranien in Tonschalen um einen Baum herum drapiert werden und das Ganze dann noch als "Bürgerlinde" betitelt wird. Damit bin ich dann doch auch gemeint, es ist gewissermaßen auch meine Pflanzung. Mich hat aber dazu niemand gefragt."

Kollmann: "Wenn das Grünflächenamt einen Baum pflanzt, werden Sie doch auch nicht gefragt? Auch wenn entschieden wird, dass die Mittelstreifen z.B. mit einer Wildblumenwiese eingesät werden, ist das vielleicht nicht jedermanns Geschmack."

Anwohner: "Sehen Sie, wenn die Ämter die Stadtgestaltung durchführen, dann tun sie das gewissermaßen in meinem Auftrag. Die Ämter sind der Öffentlichkeit gegenüber in der Verantwortung. Dafür arbeiten ausgebildete Fachkräfte an den Planungen, Landschaftsarchitekten, Stadtplaner etc. Zudem werden größere Gestaltungen durch öffentliche Ausschreibungen bekannt gemacht, um auch hier die Qualität zu gewährleisten.“

Kollmann: " Wenn ich Sie richtig verstehe, steht hinter dem Ganzen auch die Frage, ob nun angesichts leerer Kassen die öffentliche Hand jedes Geschenk kritiklos entgegennehmen sollte?"

Anwohner: "Ja, ich sehe tatsächlich eine regulierende Instanz ausgesetzt."

Kollmann: "Man sollte also auch dem geschenkten Gaul ins Maul schauen?"

Bürger: "Das ist das eine. Das andere versteckt sich in dem Wort "Bürgerlinde". Ähnliches finden Sie ja auch an der Kaisereiche. Auch hier hat sich eine Initiative der Verschönerung angenommen und pflanzt Blumenzwiebeln um den Baum herum, mit dem Hinweisschildchen ´Hier haben wir Blumenzwiebeln gesetzt´. Wer ist wir? Ich bin es jedenfalls nicht, denn dieser Verkitschung einer Eiche kann ich nicht zustimmen. Abgesehen davon, dass das Ganze gärtnerisch unmöglich ist, unter einer Eiche wachsen keine Blumen.“

Kollmann: "Das Problem sehe ich also darin, dass bürgerschaftliches Engagement natürlich zu begrüßen ist, aber im öffentlichen Raum eben auch in einem größeren Kontext steht und sich damit einer konstruktiven Kritik stellen muss. Es kann nicht jeder seinen Balkon in den Stadtraum verlängern."

Anwohner: "Dann endet es eben leider oft in einem niveaulosen Geranientopf."

Kollmann: "Die Bürgerlinde mit Geranien ist ja nun der Auftakt zur Neugestaltung des Breslauer Platzes. Sehen Sie nun "geranienrot" für den Breslauer Platz?“

Anwohner: "Nein, ich will ja gerade eine Polemik aus dieser Diskussion heraushalten. Es ist sehr gut, wenn wir uns um unsere Stadt bemühen, aber es müssen eben auch andere Stimmen gehört werden. Es muss neben der strukturellen Diskussion auch eine inhaltliche geführt werden."

Kollmann:. "Könnten nicht gerade private Initiativen hier einen frischen Wind hereinbringen?"

Anwohner: "Ich sehe das etwas pessimistischer. Gerade unkonventionelle Ideen sind selten konsensfähig. Dabei ist es oft gerade das Abseitige, chaotisch Gewachsene und nicht mit dem Begriff Schön zu Bezeichnende, was die Identifikation mit dem Ort schafft. So etwas muss erhalten werden."

Kollmann: "Es wäre also wünschenswert, wenn man auch bei privaten Initiativen darauf achtet, dass ungewöhnliche Ideen eine Chance auf Umsetzung bekämen. Private Initiativen müssten sich auch dem kritischen Blick stellen."

Anwohner: "Den ersten Schritt dazu haben wir durch dieses Gespräch getan, es wäre sehr wünschenswert, wenn sich weitere Bürger zu diesem Thema äußern und sich darüber Gedanken machen, ob eine Einflussnahme auch auf private Initiativen möglich und wünschenswert ist."

Kollmann: "Herr Anwohner, ich danke Ihnen für dieses Gespräch."

Das Gespräch führte Doris Kollmann. Der Name des Anwohners ist der Redakteurin bekannt.

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Doris Kollmann

Juni 2005  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis

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