Jugendtheater Strahl im Zeichen von
Kürzungen
Foto: Romeo und Julia auf der open-air-Bühne des Theaters
Strahl
Wolfgang Stüssel, Sozialpädagoge, Schauspieler und Leiter
des seit 1988 bestehenden Theaters Strahl strahlt ebenfalls und wuchtet eine dicke
Zeitschrift auf den Tisch: das Magazin zum Kunst- und Kulturprogramm der FIFA WM 2006.
André Heller als Organisator dieses Events hat sich das Theater mit seinem Stück
"Garuma - Leben im Sturm" von Ad de Bont aus 400 Bewerbungen für einen von 40
Beiträgen - Tanz, Kunst, Performance u.v.m. - als Rahmen dieses internationalen
Sportereignisses ausgesucht. In dem turbulenten Stück über Fußballbegeisterung und den
Aufstieg eines brasilianischen Straßenjungen zum Spielerstar werden Musiker,
Schauspieler, Tänzer und professionelle Fußballer neben- und miteinander agieren. Sie
greifen einen der Träume auf, die Jugendliche bewegen: Ganz nach oben kommen.
"Wir haben das Theater Strahl 1988 ins Leben gerufen, weil wir das Thema AIDS auf die
Bühne bringen wollten. Damals gab es so viele Gerüchte über Ansteckungswege, dass die
Kranken wie Aussätzige behandelt wurden. Wir wollten dazu beitragen, durch spielerische
Information Ängste abzubauen - insbesondere bei Jugendlichen." Bis heute zeigt das
Theater Stücke, die sich von dem inspirieren lassen, was ihre jungen Zuschauer gerade am
stärksten interessiert. Darunter gibt es Dauerbrenner wie "Volltreffer", das
sich mit dem Schwangerschaftskonflikt beschäftigt, oder "Wilder Panther, Keks!"
über Süchte aller Art, beides Stücke, die ihr Publikum zehn Jahre lang fesseln konnten
- letzteres bis heute. In diesem Sommer kann man "Wilder Panther" wieder sehen,
in der zweiten Saison im Garten der festen Spielstätte in der "Weissen Rose"
als Open-Air-Inszenierung. Mitten im Berliner Theatersterben macht eine neue
Freilichtbühne auf? "Wir haben hart gearbeitet, sehr viel selbst gemacht, und wurden
von vielen kleinen Sponsoren unterstützt, die uns mit Geld- und Materialspenden geholfen
haben. Als Repertoiretheater, also mit kontinuierlich wechselndem Spielplan, haben wir
Berlin einiges zu bieten!" 25.000 Zuschauer im Jahr 2004 - das ist allerdings
beachtlich.
Da gibt es einerseits die Arbeit des professionellen Ensembles, andererseits aber auch die
Jugendtheaterwerkstätten, an denen alle Jugendlichen, die daran interessiert sind, auf
Nachfrage teilnehmen können. Hier werden unter professioneller Anleitung gemeinsam
Stücke entwickelt, geschrieben, inszeniert und vorgeführt, aktuell etwa "Stück vom
Glück". Außerdem können Lehrer und Lehrerinnen in Workshops lernen, wie man
Schüler mit dem Theater vertraut macht, Stücke vor- und nachbereitet, ohne dass alle vor
Langeweile einschlafen, und nicht zuletzt können sie selbst die Theaterarbeit
kennenlernen und im Unterricht erproben.
Das Theater Strahl will sich nicht auf den bisherigen Erfolgen ausruhen und sucht immer
neue Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit anderen Bühnen Deutschlands und Europas.
Gastspiele von Deutschland bis Israel, Teilnahme an internationalen Theaterfestivals,
Fachaustausch z.B. mit Barcelona und Toulouse über neue Theaterformen - was brennt
gerade? Und immer wieder der Austausch mit Jugendlichen.
"Im August wird ein Stück Premiere haben, das sich mit Mobbing befasst, Misshandlung
auf dem Schulhof, Abziehen, Unterdrückung." Der Wind wird rauer, im Alltag der
Jugendlichen wie auch im Theateralltag. "Wir müssen nun ohne ABM-Kräfte auskommen
und arbeiten am untersten Gehaltslimit. Trotzdem haben wir unseren Spielbetrieb nicht
eingeschränkt." Das ist einerseits ein Grund, stolz auf sich zu sein - andererseits
darf dieses Engagement nicht als Fähigkeit verstanden werden, womöglich mit noch weniger
Zuschüssen auskommen zu können.
"Wir bestreiten unser Budget mehr als zur Hälfte aus Eintrittsgeldern. Für
Zuschüsse müssen wir alle zwei Jahre einen neuen Antrag auf Basisförderung stellen. Als
etablierte Spielstätte arbeiten wir aber seit einigen Jahren darauf hin, als
Privattheater anerkannt zu werden. Der Antrag für diese Förderung muss nur alle vier
Jahre gestellt werden - das gibt natürlich eine viel größere Planungssicherheit,"
erklärt Wolfgang Stüssel. Schön wäre es auch, das Büro von Kreuzberg in die Nähe der
Schöneberger Spielstätte verlegen zu können. "Der politische Wille ist durchaus
da, das Jugendtheater stärker zu fördern," meint Stüssel, "doch den
Jugendlichen fehlt eine wirkliche Lobby: Bei Kürzungen sind soziale und kulturelle
Projekte immer zuerst dran." Doch das tut seinem Optimismus keinen Abbruch. Das
Theater will mit dem Potsdamer Theater Havarie ein intergeneratives Projekt auf die Beine
stellen: Drei Generationen gemeinsam auf der Bühne. Es wird sich auch weiterhin als
Mitglied der Initiative TuSCH (Theater und Schulen) um theaterpädagogische Arbeit
kümmern und mehr und mehr Berliner in seine Spielstätten locken, das ist ganz klar.
Theater Strahl in Schöneberg, "Die Weisse Rose", Martin-Luther-Str. 77, Tel.
695 99 222.
www.theater-strahl.de
Sanna v. Zedlitz
Juni 2005 Stadtteilzeitung
< Inhaltsverzeichnis
Für Besucher aus der Kiezbox: ZURÜCK ZUR KIEZBOX |