Der Insulaner ist auf Sand gebaut
Rauhe Berge, Kleingärten und ein "Luft"bad

Blick vom Insulaner auf den Graazer Damm und Prellerweg
Auf einem alten Stadtplan aus dem Jahr 1928 suche ich den Ort, auf dem sich heute der Insulaner befindet. Das ist gar nicht so einfach: die Berg- und auch die Thorwaldsenstraße mündeten damals direkt in ein wildes Gelände mit Sandbuckeln und Kuhlen, das in Kleingärten überging. Den Prellerweg gab es noch nicht, den Munsterdamm auch nicht; die Sandpiste, aus der er entstand, ist auf der Karte als "Straße 13" bezeichnet. Zu meinem Erstaunen war auch der heutige Grazer Damm noch nicht gebaut, die Canova-, Peter-Vischer- und Bekkerstraße endeten direkt an der Kleingartenkolonie. Das "Luft- und Schwimmbad" mitten im "Südgelände" ist es schließlich, das mir Orientierung bietet; es ist der Vorläufer des heutigen Insulanerbades: ich habe den Ort gefunden!

Ich erinnere mich gut daran, wie ich in den frühen Dreißigern dort zum Baden ging, an den Weg von der Bergstraße über die Sandkuhlen durch die Kleingärten, bis plötzlich - herrlicher Moment! - das weiße Geländer in Sicht kam, das das "Luftbad", wie es kurz genannt wurde, von den Gärten abgrenzte. Wie fast alles in damaliger Zeit, war es weit weniger luxuriös als das heutige Insulanerbad und wurde doch heiß und innig geliebt. Man hatte mindestens genauso viel Freude und Erholung als in manchem heutigen "Spaßbad": ein großes Schwimmerbecken (war es überhaupt gekachelt?), ein kleines Becken für Nichtschwimmer, die Umkleidekabinen direkt am Beckenrand. Auf dem 3-m-Brett soll ich, zweijährig, mit aufgespanntem Regenschirm gestanden haben, und das ganze Bad rief, im Verein mit meiner entsetzten Mutter: "Mädi, komm da runter!" Soweit die Historie... Auf einem grasbewachsenen kleinen Spielplatz ein Barren, ein Rundlauf, Schaukeln, vielleicht auch eine Wippe. Und hinter einem Bretterzaun das sog. "Freikörpergelände", wo die pubertierende männliche Jugend durch die Ritzen schmulte.
Wie gern war ich dort! Der Weitblick über die Gärten zum Wasserturm oder der Shampoo-Reklame mit dem schwarzen Kopf konnte natürlich nicht mit der Aussicht konkurrieren, die man heute vom Insulaner aus hat, obwohl im Laufe der Jahrzehnte der Baumwuchs inzwischen manchen Blick versperrt.

Wie es sich für einen echten Berliner gehört, ist der Insulaner also auf Sand gebaut. Hier an den ausfransenden Rändern von Friedenau und Schöneberg wurde 1951 auf einem ausgedehnten Kleingartengelände ein Teil der Trümmer von Berlin zu dem Berg aufgeschüttet, der das Wahrzeichen von Westberlin war.

© Sigrid Wiegand
Redaktion Stadtteilzeitung

März 2005  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis                         

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