Edel sei der Mensch… - 1-Euro-Jobs
Wer profitiert von Jobs mit MAE?


Die inzwischen nicht zuletzt durch die Medien allen bekannte Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (kurz: Zusatzjob oder 1-Euro-Job) wurde im Zuge der Reformierungen des Arbeitslosen- und Sozialhilferechts neu geschaffen. Der Reform hatte Professor Dr. Peter Hartz, tätig im Vorstand der Volkswagen AG und ehemaliger Leiter der von der Bundesregierung eingesetzten "Hartz-Kommission", eher unfreiwillig seinen landläufigen Namen verschafft.
Mit der Vorschrift über den 1-Euro-Job wollte der Gesetzgeber zwei gute und zunächst durchaus edle Dinge zugleich regeln:

1) Der Arbeitslose (Empfänger von ALG II) leistet eine gemeinnützige Arbeit und macht sich so für die Gesellschaft nützlich. So wird er etwa zur Reinigung öffentlicher Grünanlagen oder der Betreuung älterer Menschen im Seniorenheim eingesetzt.
2) Der Arbeitslose tut etwas für sich selbst. Der zuweilen auch als "schwerstvermittelbar" Bezeichnete - das klingt, als ob er unter einem von ihm selbst verschuldeten Gebrechen leidet - arbeitet, um Sinnvolles zu tun und sich für die Arbeitswelt fit zu halten.

Bei der praktischen Umsetzung dieser Ziele profitieren jedoch auch noch andere Personen und Institutionen von dem 1-Euro-Job. Die Arbeitsagentur beauftragt private Träger (Beschäftigungsgesellschaften als gemeinnützige GmbH's) mit der Durchführung der Zusatzjobs und entrichtet an diese für jeden Arbeitslosen eine monatliche Maßnahmekostenpauschale (zwischen ca. 200 und 500 EUR) für Organisation, Betreuung und Weiterqualifizierung des Arbeitslosen - der Träger ist im Übrigen auch für die Weiterleitung und Auszahlung der Mehraufwandsentschädigung zuständig.
Ein weiterer Interessent an der Durchführung kann auch der private Arbeitgeber sein, dem für den Einsatz des 1-Euro-Jobbers keine Kosten entstehen. Aber Vorsicht: Nach dem Gesetz müssen die Arbeiten "zusätzlich" sein, d. h. nicht privaten, erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienen und damit reguläre Arbeitsverhältnisse gefährden. Sowohl der Arbeitslose als auch die im Betrieb regulär Beschäftigten haben ein Recht auf Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. Der von der Arbeitsagentur beauftragte Träger hat letztlich die Verantwortung; ihm kann von der Arbeitsagentur die Bewilligung zur Organisation und Durchführung der Zusatzjobs wieder entzogen werden. Und dies geschieht in der Regel überhaupt erst, wenn die Arbeitsagentur von ungesetzlichen Zuständen erfährt, zum Beispiel durch den Arbeitslosen.

Der Arbeitslose, der im Rahmen seines Zusatzjobs wider Willen Tätigkeiten ausführen muss, welche in den typischen Aufgabenbereich eines Vollzeitbeschäftigten fallen, sieht sich unter Umständen durch eine enge Kooperation des privaten Arbeitgebers mit der Beschäftigungsgesellschaft gleich zwei Beteiligten auf der Gegenseite ausgesetzt. Beide haben eigene, nicht im Interesse des 1-Euro-Jobbers liegende, finanzielle Gründe für seinen Einsatz. Der Beschäftigungsträger benötigt für seine Finanzierung freie Stellen bei einem (hier: privaten) Arbeitgeber, während es dem Arbeitgeber nützt, wenn der für ihn kostenlose Zusatzjobber möglichst viele Arbeiten ausführt.
Verrichtet der Zusatzjobber Arbeiten, die nicht "zusätzlich" sind, kann er sich rechtlich im Nachhinein nicht dagegen wehren: So wird er keinen Anspruch auf eine höhere Entlohnung oder Feststellung eines regulären Arbeitsverhältnisses erworben haben, da es sich um ein öffentlich-rechtliches Verhältnis handelt.

Hinzu kommt für den arbeitslosen 1-Euro-Jobber die Gefahr von Rivalitäten mit den im Betrieb regulär Beschäftigten, die um ihren Arbeitsplatz fürchten, Mobbing-Verhalten nicht ausgeschlossen. Die 1-Euro-Jobber werden zunehmend die Rolle derjenigen im Betrieb einnehmen, die heute noch als Beschäftigte von Zeitarbeitsfirmen weniger Rechte zu haben scheinen.

Bis vor Kurzem gab ein Wirtschaftsverlag (Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG) auf seiner Internet-Seite sogar Anleitungen für die Wirtschaftspraxis, wie ein Arbeitgeber unter bewusster Ausnutzung der Rechtslage und offensichtlich gegen den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers 1-Euro-Jobs schafft, um die "teuren" regulären Arbeitsverhältnisse zu vermeiden. Dieser "Praxistipp" wurde übrigens inzwischen wieder von der Internet-Seite genommen - wohl nicht ohne Grund.

Rechtsanwalt Wolfgang Kotsch

 

Mai 2005  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis                         

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