Schwer vermittelbar - nicht nur für
Langzeitarbeitslose
Grünanlagen entzücken selbst im Frühling nicht immer Nase und Auge. Dann sieht mancher
Rot - ein heißes Eisen. In Scharen wurden Fachleute (es ist ein Ausbildungsberuf)
entlassen und nun? Übrig sind in Grünflächenämtern mitunter fast nur noch leitende
leidende Mitarbeiter. Laub eintüten übernahmen im Herbst noch Sozialhilfeempfänger, zur
Harke griffen auch mal Freiwillige. Zum Harken braucht es mitunter mehr Gefühl als
Qualifikation, aber zur Grünanlagenpflege gehören ja wohl Kenntnisse über Pflanzen,
Schnitt, Anpflanzungen, Pflege. Werden da die entlassenen Qualifizierten wieder rangeholt,
über Ich-AG´s oder als Jobber mit 1,50 Euro/Stunde MAE (Mehraufwandsentschädigung),
vermittelt z. B. von sogenannten Beschäftigungsgesellschaften?
Das Geschäft mit Billigarbeitskräften jedenfalls blüht und in dieser Wachstumsbranche
sind tatsächlich reguläre Arbeitsplätze entstanden! Bis zu 500 Euro werden für die
Arbeitsbeschaffung, Verwaltung, Qualifikation und MAE der Jobber gezahlt, die selbst
weniger als 200 Euro davon erhalten. Wenn man alle Zuwendungen zusammenrechnet: Ca. 500
Euro für die MAE-Maßnahme, Arbeitslosengeld II mit Grundbedarf und Miete,
Betreuungsaufwand vom Jobcenter - könnte das nicht ein Job mit 30-Stunden
Arbeitszeit/Woche auf dem 1. Arbeitsmarkt im Grünflächenamt sein?
Leider schieben ehemalige qualifizierte Mitarbeiter aber gerade Pflegebedürftige im
Rollstuhl durch die strapazierte Flur und Fauna oder um´s Haus. Zum Glück gibt es aber
noch die frisch diplomierten Hochschulabsolventen ohne Arbeitsplatz, die sind ja nicht
doof und werden sich am Wochenende ja mal schnell über Gartenarbeiten bilden können. Und
sie lernen endlich einen geregelten Tagesablauf kennen - denken die, denen Zeit oder
Verstand fehlt.
Für diese Umverteilung von Arbeit sorgt der staatlich-organisierte riesige
Verschiebebahnhof von einer Arbeitsmaßnahme zur anderen. Begriffe sprießen und schieben
selbst hin und her: Beschäftigungsmaßnahme, Arbeitsmaßnahme, Beschäftigungsträger,
Maßnahmenträger... Dort wird gearbeitet, woanders beschäftigt - wie beim
Kindergruppennachmittag.
Schon während der Maßnahmen-Einarbeitung ist das verordnete Ende der JA WAS DENN NUN
demotivierend in Sicht. Für Abwechslung sorgen danach Arbeitslosigkeit,
Bewerbungstrainings und weitere Maßnahmen. Und das ist nicht nur Personalberatern auf dem
sogenannten 1. Arbeitsmarkt schwer vermittelbar. Bemühungen um gute Leistungen haben kaum
jemanden zum "richtigen" Job verholfen. Das führt auf Dauer zu Resignation.
Warum integriert man nicht die langfristig, die Leistung zeigen, wollen und können? Es
ist Verschwendung, Leute immer wieder einzuarbeiten oder sich ganz besonders um die zu
bemühen, die "Null-Bock" haben! Daran kann gespart werden.
Warum gehören ausgerechnet Alleinerziehende zur Gruppe, die vorrangig befristete
Tätigkeiten wie ABM oder Jobs mit MAE tun sollen? So schaffen sie es fast nie in eine
dauerhafte absichernde Tätigkeit. Sie erleben sich weiterhin als Almosenempfänger, dabei
leisten sie mit ihrem elterlichen Einsatz rund um die Uhr bereits viel - und wenn sie es
gut machen, zum echten "Gemeinnutz". Sind mehrere Kinder zu betreuen, wird
geackert wie ein Spitzenmanager. Sinnvoll ist daher eine dauerhafte und ausreichend
bezahlte Tätigkeit zur Absicherung solcher Familien oder / und Investitionen in deren
Familienarbeit.
In Friedenau arbeitet in einem Seniorenheim eine Gruppe Frauen mit MAE. Sie säubern
Zimmer, teilen Essen aus... Ein richtiger Job. Von den Beschäftigten, die ihre Konkurrenz
fürchten, werden sie schief angesehen. Aber sie machen weiter, in der Hoffnung, im
Anschluss dort einen Arbeitsvertrag zu erhalten. Ein Trugschluss, denn nach ihnen kommen
die nächsten MAE-Jobber. Zu verführerisch sind die Konditionen für die gGmbH: Krankheit
und Urlaub unbezahlt, keine Kündigungsfristen, in ständigem Wechsel neue
"ausgeruhte" Mitarbeiter, auf die richtig Druck ausgeübt werden kann.
Sklavenarbeit nennen es die einen, Gemeinnützig die anderen.
Entsteht hier nicht der Eindruck, Menschen werden zu Opfern gemacht, damit die anderen bei
immer schlechter werdenden Konditionen angstvoll aber diszipliniert nur in diese Richtung
schauen bei der immer häufigeren Frage: Wer ist schuld?
Hier keimt eine kleine böse Vision: Das Hartz-VI-Center. In der Kantine spielt das nun so
beschäftigte Orchester der Berliner Symphoniker. Und die letzten Kunden sind mehr als
bedient und wagen nun auch eine Existenzgründung als selbständige Schwarzarbeiter in
Afrika.
Annetta Mansfeld
Mai 2005 Stadtteilzeitung
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