Verkehrsströme, Sport und
Kleingartenidylle
Unsere Serie heißt "Orte und Plätze", dabei
denkt man an intakte urbane Strukturen, wo man arbeitet, wohnt und Freizeit genießt.
Betrachten wir Schöneberg von oben, fällt eine große Fläche ins Auge, die auf den
ersten Blick keiner der genannten Funktionen dient: Das Autobahnkreuz Schöneberg.
Es ähnelt einem Kleeblatt. Diese Form resultiert aus einer kreuzungsfreien Verteilung der
Verkehrsströme.
Die Zerstörungen des Straßennetzes im Zweiten Weltkrieg und die zunehmende Motorisierung
in den fünfziger Jahren hatten völlig neue Verkehrskonzeptionen zur Folge. Ein
Schnellstrassennetz mit der Autobahn "Stadtring Berlin" im Zuge des S-Bahnringes
und vier Tangenten am Stadtkern entlang, die ebenfalls den S-Bahn-Linien folgen, waren
Hauptbestandteil der Planung. Mit dem Bau des Autobahnnetzes in Berlin wurde 1956
begonnen. Der Abschnitt Steglitz-Schöneberg war in den Jahren 1961-1963 errichtet worden,
der südliche Ring zwischen Mecklenburgische Straße und Innsbrucker Platz zwischen 1963
und 1969. 1978 wurde das schwierige Bauwerk am Innsbrucker Platz fertiggestellt, die
Weiterführung nach Tempelhof bis 1981 durchgeführt.
Damals gab es nicht nur Befürworter der Planung. Die sogenannte Westtangente, die von
Schöneberg bis zum Potsdamer Platz führen sollte, war heftig umstritten, da sie mitten
durch ein Wohngebiet führen sollte. Anfang der neunziger Jahre wurden die Pläne im
Rahmen der damaligen Koalitionsverhandlungen auf Eis gelegt.
So berechtigt die Ablehnung für die Anwohner auch gewesen sein mag, so wichtig erweist
sich heute das Autobahnnetz. Solange das wirtschaftliche Funktionieren einer Innenstadt
von der Erreichbarkeit abhängt - man vergleiche nur die heutige Diskussion aufgrund der
notwendigen Umsetzung der Feinstaubrichtlinien - wird das Netz unverzichtbar sein. Wie
sich unsere Stadt in einigen Jahrzehnten weiterentwickelt haben wird - gerade vor dem
Hintergrund der Verlagerung von Arbeitsplätzen und dem Traum vom Wohnen im Grünen -
vermag noch keiner einzuschätzen.
Was war vorher da am Schöneberger Kreuz? Alte Pläne zeigen an dieser Stelle einen
Sportplatz, einen Friedhof und unbebautes Bahngelände, auf dem die Kleingartenkolonien
des Südgeländes entstanden. Flächen für den Sport gab es nach dem Bau auch weiterhin.
Durch das in den siebziger Jahren entstandene Sportzentrum Schöneberg hat sich hier ein
Austragungsort mit überregionaler Bedeutung etabliert.
Die Radrennbahn passte genau in eine von einem
Zubringer eingeschlossene Fläche. Ich fragte mich schon als Schülerin, ob die
Luftqualität hier gut sei... Aber diese Bedenken waren bei der Errichtung noch nicht ins
allgemeine Bewusstwein eingeflossen. Nun sind diese Befürchtungen überholt, da eine neue
Planung die Errichtung eines Einrichtungshauses vorsieht. In einem Bebauungsplanverfahren
wird der Standort planungsrechtlich gesichert. Heute werden selbstverständlich Fragen der
Luft- und Lärmbelastung und Bodenverunreinigung im Verfahren sorgfältig geprüft und -
falls erforderlich - Gegenmaßnahmen gefordert. Ersatzflächen für die verlorengehende
Sportnutzung werden ebenfalls ausgewiesen.
Am südlichen Rand des Schöneberger Kreuzes feiert die Kleingartenkolonie
"Vorarlberger Damm" gerade ihr 100jähriges Bestehen.
Entlang des Sachsendamms und Zubringers Steglitz verbirgt sich hinter einem kleinen Wall die
Gartenarbeitsschule Schöneberg, die damals beim Bau der Autobahn um ihre Existenz
fürchten musste. Sie konnte aber in den vergangenen Jahren ihr Angebot zur Naturkunde
kontinuierlich erweitern. Auch in diesem Jahr wird wieder gefeiert:
"Tag der Offenen Tür" am 8. Mai von 11-17 Uhr
Die Gartenarbeitsschule ist sowohl vom Vorarlberger Damm als auch vom Park entlang der
S-Bahn erreichbar. Eine Ausschilderung ist vorhanden. Falls die Sonne scheint, wird dort
mit einem Solarofen Teewasser erhitzt werden. Aber auch wenn sie nicht scheint, gibt es
genug zu sehen: einen Weinberg, einen geologischen Lehrpfad und einen Naturteich.
Die Anreise ist nicht nur über die Autobahn, sondern auch mit der S-Bahn oder Bus (M46)
möglich.
Marina Naujoks
Mai 2005 Stadtteilzeitung
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