Künstler im Kiez: Mona Könen
Meinen zurückhaltenden Bewegungen begegnet Mona Könen mit
einem sympathischen Lachen: Sie kennt die Reaktionen der Besucher ihres Ateliers in der
Belziger Straße auf ihre umfangreiche Materialsammlung nur zu gut. Ich stehe zwischen
farbenreichen Bergen von Papier, vom Plakatfetzen bis zum Seidenbogen, rostigen
Metallteilen und ledernen Irgendwas, Federn, Sand und Steinen. Viele der Materialien hat
die Künstlerin auf ihren Reisen eingesammelt: etwa das "Totengeld" aus China
oder die abgestreifte Schlangenhaut aus Australien.
Frau Könen, wenn ich mich hier so umschaue kann ich mir kaum vorstellen, dass Ihre
Bilder etwas mit diesen "Materialfetzen" zu tun haben könnten...
Das kann ich durchaus verstehen. Ich sammle diese Dinge ja auch nicht mit einer konkreten
Vorstellung im Kopf. Wichtig ist die Wahrnehmung der alltäglichen Umgebung und der offene
Blick für die künstlerische Potenz des Materials. Meine Funde können durchaus jahrelang
"schlafen" ohne eine Zweckbestimmung. Und irgendwann passen sie dann in die
Entstehung eines Bildes.
... wie zum Beispiel die Schlangenhaut...
Ja, richtig, das ist so ein Beispiel. Im spielerischen Umgang mit diesen präsenten
Sammlungsstücken entwickle ich dann durch die Bearbeitung und Verfremdung das Werk. Die
Schichtung der verschiedenen Materialien bewirkt eine Ergänzung, ein Durchscheinen, das
durch die Kombination ein neues Ganzes entstehen lässt , das nicht mehr trennbar ist. Der
Zauber liegt in der Ahnung der Möglichkeiten, aber auch im Zufälligen.
Als Betrachter wird man in Ihre Bilder hineingezogen, unwillkürlich versucht man die
unteren Schichten zu ergründen... Sie arbeiten aber nicht nur Collagen, gerade in den
letzten Jahren haben auch Ihre Objekte viel Anerkennung gewonnen. Ich denke da an Ihre
erfolgreichen Ausstellungen "Fundstücke Berlin" und "Fische aus der
DDR", die Presse und Fernsehen begeistert haben.
Bei den Berliner Fundstücken habe ich mich nicht nur mit Berlin, sondern generell mit der
zivilisatorischen Existenz auseinandergesetzt. Inspiriert wurde ich durch die rasanten
Veränderungen im Berlin der 90er. Es wurde soviel abgerissen und plattgewalzt, vieles war
auf einmal überflüssig und störend. Da stellte sich mir die Frage, wie sehe ich unseren
"Restmüll" in einem anderen Zusammenhang, vor einem neuen Hintergrund?
Ich habe da Abfallprodukten unseres normalen Alltags wie Kämmen, Schrauben, Elektroteilen
zu neuer Form, bar ihres Sinns, zu einem Eigenleben verholfen. Die Fischdosen haben eine
eigene Geschichte. Bei den Aufräum- und Entmüllungsarbeiten auf dem Grundstück eines
Freundes im Berliner Umland kamen Unmengen von verrosteten und verbeulten Fischdosen an
die Oberfläche. Die Oberseiten versehen mit maritimen Zeichnungen und Verfallsdaten aus
den 70er und 80er Jahren. Die Aufschriften waren kurioserweise alle noch sehr gut
erhalten. Müll bei erster Sichtung, Geschichte und geschichtenerzählend beim zweiten
Blick. Die Aufdrucke, Namen und Anpreisungen geben ein beredtes Bild der ja eigentlich
niemals stattgefundenen Werbung in der DDR: Phantasienamen mit exotischem Hintergrund, der
Geschmack von Freiheit und Abenteuer in Aspik. Ich habe über 100 verschiedene Designs
gefunden. Meine anfängliche Wut über die Verseuchung des Gartens wich dann der Idee der
künstlerischen Umsetzung dieses Geschichtsmülls.
Nach Ihrem Studium an der HdK Berlin haben Sie in Rom gearbeitet, als Dozentin des
Goethe-Institutes in Kenia und Brasilien, Ihre Studien- und Arbeitsreisen führten Sie
unter anderem nach Aspen/Colorado, Indien und Australien - ein Leben in Bewegung. Was
bedeuteten diese Reisen und Erfahrungen für Ihre künstlerische Entwicklung? Und, was hat
Sie eigentlich immer wieder nach Berlin zurückgebracht?
In erster Linie habe ich auf meinen Reisen den Austausch mit Künstlern anderer
Kulturkreise gesucht, mich geöffnet für deren Blick und Visionen. Die fremden Historien
und Religionen und die daraus entstehende Kunst haben immer meine Neugier geweckt und mich
inspiriert. Und meine Fundsammlung aus anderen Ländern ist vielfach Bestandteil meiner
Bilder. Aber bei all der Exotik ist mir Berlin als Arbeits- und Lebensmittelpunkt sehr
wichtig. Die Toleranz und Wandlungsfähigkeit, die Vielschichtigkeit dieser Stadt ist ein
Garant für Inspiration und Kommunikation, für persönliche und künstlerische Freiheit.
Woran arbeiten Sie zur Zeit? Ich habe hier einige sehr stimmungsvolle, auf mich
mediterran wirkende Bilder entdeckt. Gibt es demnächst ein Ausstellung?
Die mediterranen Bilder sind tatsächlich meine neuesten Arbeiten. Und Ausstellungen
bereite ich gerade für München und einige südeuropäische Länder vor. Die Termine
stehen leider noch nicht fest. Für Interessenten an meinen Arbeiten besteht aber die
Möglichkeit, mich nach telefonischer Absprache im Atelier zu besuchen.
Mona Könen Tel. 851 61 29
Interview: Rita Maikowski
Mai 2005 Stadtteilzeitung
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