Zwischen schön und Schöneberg – das „Grazer-Damm-Ghetto"
Eine Anwohnerin beschreibt ihren Kiez am Grazer Damm


Teil 1. Anwohnerbericht:

Am Grazer Damm zu leben, insbesondere für Familien mit Kindern, könnte wirklich schön sein.
Begrünte Innenhöfe, große Wiesen und mehrere Spielplätze bieten jede Menge Freiraum. Zum Toben für die Kinder und zum Erholen für die Erwachsenen.
In der Realität sieht es in dem rund ein Quadratkilometer großen Innenhof vom Grazerdamm 100 bis 200 ganz anders aus: Besprühte Wände, eingetretene Haustüren und Briefkästen, zerstörte Fahrräder ziehen die Blicke der Besucher und Mieter beim Weg durch die Grazer Damm-Siedlung und in die Hausflure auf sich. Wer als Mieter in seinen Keller geht, steigt über Urin-Pfützen hinweg.

Hier fehlt mir das positive Gefühl für das Umfeld, in dem wir leben.
Der Sperrmüll wird auf Kosten aller Mieter im verwinkelten Innenhof der Wohnsiedlung entsorgt. Nach dem Picknick auf der Wiese bleibt der Abfall liegen. Spaziergängern fallen benutzte Taschentücher achtlos aus den Händen. Unter einigen Mietern herrscht mittlerweile eine gespannte Stimmung. Älteren Anwohner ziehen sich immer mehr zurück. Verhärtete Gesprächsfronten entstanden auf vielen Seiten. Auch treffen hier unterschiedliche Kulturen und Sprachbarrieren aufeinander.

Wie gelingt uns eine vernünftige Streitkultur in der Grazer Damm-Siedlung?
Ein Teil der Wohnungen am Grazer Damm gehören einem neuen Investor. Neulich fanden wir Mieter Rundschreiben in unseren Briefkästen. Darin werden wir gebeten, unsere Beobachtungen von Zerstörungsaktionen und Überschreitungen wie Sperrmüll-Entsorgung, Hund ohne Leine laufen lassen, der Wohnungsbaugesellschaft sofort mitzuteilen.

Brauchen wir als mündige Bürger diese gegenseitige Überwachung? Sollen Sicherheitsunternehmen durch die Siedlungen patrouillieren? Vor einigen Jahren hätte ich nein gesagt, aber heute.

Claudia Edding

Die Redaktion: Die Autorin Claudia Edding wohnt am Grazer Damm und schildert hier ihre ganz persönlichen Eindrücke. Ihr Bericht trifft jedoch auf ein lokal-gesellschaftliches Problem nicht nur in Schöneberg und Friedenau zu. Auch die Problematik "Initiative Feurigstraße" ist geprägt von sehr ähnlichen sozialpolitischen Geschehnissen. Daher möchte die Stadteilzeitung Schöneberg in aufeinanderfolgenden Berichten diese Problematik aufgreifen. Wir werden uns bemühen, die Öffentlichkeit, die Wohnungsmieter und Vermieter sowie die Lokal- und Bundespolitiker für Stellungnahmen und Hilfen zu gewinnen.

Franziska Sylla

 

November 2005  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis