Berndt W. Wessling: Premiere im
Kleinen Theater am Südwestkorso
Foto: Anna Simon und Vera Müller
Hat Richard Wagner gesächselt? Könnte schon sein,
schließlich war er ein waschechter "Kaffeesachse". Im Kleinen Theater am
Südwestkorso jedenfalls können wir uns über diese Mundart amüsieren, wenn wir wollen.
In dem neuen Stück "Cosimo und Ricarda", in dem es natürlich um Richard Wagner
und seine Cosima geht, ist die Rolle des (der?) Ricarda mit einer Schauspielerin (Vera
Müller) besetzt, die das Sächsische wohl als ihre Muttersprache beherrscht und ohne das
verhohnepiepelnde "ei verbibsch" u.ä. auskommt, mit dem die
"Berufssachsen" diesen Dialekt desavouieren. Und wir merken: so schlecht klingt
das gar nicht! In der (Schlaf)zimmerschlacht jedenfalls, die die beiden Frauen (Anna Simon
als Cosimo) temperamentvoll auf der kleinen Bühne schlagen, zieht Ricarda keineswegs
wegen ihrer Sprache oft den kürzeren. Wer hat die Hosen an darum geht es ja wohl,
und nicht nur das Spiel mit den vertauschten Endungen, sondern auch Richard Wagners
behauptete Vorliebe für weibliche Gewänder, die er hier viel effektvoller zur Geltung zu
bringen weiß als seine Frau, wollen andeuten, dass Cosima das Sagen hat(te).
War es wirklich so? Wer weiß das schon so genau, die Biografen sind sich, wie immer, da
auch nicht einig. Und der Autor des Stücks hielt sich sowieso nicht an historische
Fakten, sondern erfand die Dinge so, wie er sie haben wollte. Dafür war er berühmt und
berüchtigt, wie man im gut gemachten Programmheft nachlesen kann. Gab es diese
jugendliche Geliebte, die für einen "one-night-stand" in Bayreuth auftauchte
und schon wieder das Weite gesucht hatte, als Ricardo noch in höchsten Tönen und sehr
nachvollziehbar von ihr schwärmte, tatsächlich? Für Cosima, die ihm auf die Schliche
gekommen war, jedenfalls ein weiterer Grund, ihn lautstark und wortgewaltig anzuklagen und
ihre Deutungshoheit über ihn und sein Werk zu postulieren: "Wenn einer schreibt, wer
Du in dieser Welt zu sein hast, dann bin ich's und niemand anders!" Und als ihr am
Ende die Argumente ausgehen und auch das Peitscheschwingen nicht mehr weiterhilft, bleibt
ihr nur noch die Drohung: "Ich sag's Franz Liszt!" Ein unterhaltsamer Kampf mit
guten Regieeinfällen, amüsant und bissig ausgetragen im hübschen Bühnenbild.
Das aufgeräumte Publikum spendet reichlich Beifall und will's nicht glauben, dass die
Tage des Kleinen Theaters womöglich gezählt sind, falls es bei der Ankündigung des
Kultursenators bleibt, dem Theater ab 2006 die Subventionen zu streichen. Seit über 30
Jahren wird auf der kleinen Bühne für niveauvolle Unterhaltung gesorgt. Wie bei anderen
Theatern auch, gab es bessere und schwächere Inszenierungen; immer aber war das Kleine
Theater am Südwestkorso mit seiner intimen Atmosphäre eine kulturelle Oase im Südwesten
Berlins, bot und bietet Abwechslungsreiches Theater, Chansons, Revuen. Alle großen
Städte London, Paris, New York haben ihre kleinen Bühnen und mit
ihnen ihr spezielles Publikum. Will Berlin nur noch die sog. "Großkultur" in
der City fördern?
Im Bezirk setzen sich die CDU-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung
Tempelhof-Schöneberg und Bezirksbürgermeister Ekkehard Band persönlich für den Erhalt
des Theaters ein. Roman Simon vom CDU-Ortsverband Friedenau ruft die Nachbarschaft auf,
mit dem Besuch des Kleinen Theaters ihren Teil zur Rettung der Spielstätte beizutragen.
Bezirksbürgermeister Band bittet in einem Schreiben an den Kultursenator "um
alternative Überlegungen (z.B. geringe Kürzung bei allen geförderten Einrichtungen), um
einerseits die gedeckelte Fördersumme einzuhalten, andererseits aber ein Sterben
bewährter Kulturstätten zu verhindern".
Sigrid Wiegand
Weitere Aufführungen: 16., 18., 19. und 25., 26., 28. Oktober, jeweils 20 Uhr
Vorverkauf Di.Fr., 1820 Uhr, Sa. + So. 1 Sunde vor der Vorstellung
Telefonisch unter: 821 20 21
www.kleines-theater.de
Oktober 2005 Stadtteilzeitung
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