Der Fichtenberg
Villen und Wetterbeobachtung


Foto: undatierte Postkarte aus dem Archiv des Heimatvereins Steglitz e.V.

Herausragend! Eine Anhöhe von 68,75 m über NN (von denen beim Aufstieg von der Schloßstrasse immer noch 30 m Höhenunterschied spürbar sind), eingebettet in viel Grün, begrenzt durch die Rothenburg- und Grunewaldstraße, die Zeunepromenade sowie durch die Straße auf der Rückseite des Botanischen Gartens, die nach dem Berg benannt wurde: "Am Fichtenberg". Das Ganze wird "gekrönt" von einem altehrwürdigen, dicken Wasserturm.
Zunächst ein bisschen Geschichte: Der alte Fritz hatte die erste planmäßige Bepflanzung mit Kiefern (!) angeordnet, folgerichtig hieß das Areal dann noch Kiefernberg. Man versuchte später den Anbau von Wein und – wie damals überall in Preußen – die Anpflanzung von Maulbeerbäumen zur Seidenfadengewinnung. Der Preußische Domänen-Fiskus war seit 1841 Eigentümer und parzellierte das Gelände. Nach der Reichsgründung 1871 wurden diese Parzellen zum Verkauf angeboten. Zögerlich, aber stetig wurden Villen gebaut, und der Fichtenberg avancierte zur gediegenen Wohngegend.

Paul Lincke komponierte bei seinem Aufenthalt im Hause des Verlegers Richard Rühle in der Grunewaldstraße 22 den Steglitzer Walzer "Frühling, wie bist du so schön", ein paar Häuser weiter (Nr. 13) wohnte bis kurz vor seinem Tode Franz Kafka.

Der Philosoph und Pädagoge Friedrich Paulsen und der preußische Kulturminister Friedrich Schmitt-Ott lebten hier, durch entsprechende Straßennamen wird an sie erinnert. Grunewaldstraße 35 Ecke Schmitt-Ott-Straße befindet sich ein 1939/40 errichteter Bau, in dem zunächst die Deutsche Forschungsgemeinschaft ihren Sitz hatte, nach dem Krieg das amerikanische Konsulat, dann das Verwaltungsgericht Berlin, nachfolgend das "Geographische Institut der Freien Universität Berlin". Diese Beispiele stehen stellvertretend für die vielen interessanten Persönlichkeiten, die hier lebten, und die wechselvolle Geschichte des Berges.

Den "Aufstieg" werden Sie, lieber Stadtteilzeitungsleser, höchstwahrscheinlich an der Lepsiusstraße beginnen. Noch vor dem Berg, in der Lepsiusstraße 64–66, ist seit 1999 die Botschaft des Königreiches Thailand ansässig. Warum dieser Standort? Vermutlich, weil die freundschaftlichen Verbindungen zwischen Thailand und Steglitz bis in die Kaiserzeit zurückreichen, denn die Kronprinzen wurden in Preußen, konkreter in Lichterfelde, militärisch ausgebildet. Nun residiert der Botschafter in einer 1891 errichteten Villa. Das etwas zurückgesetzte Gebäude wurde durch einen straßenseitigen Neubau ergänzt, der Durchblicke auf den Altbau zulässt. Ein Beispiel dafür, wie repräsentative Villen heute genutzt werden können.

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Kommen Sie dagegen von der Wrangelstraße, gegenüber vom Kreisel, stoßen Sie seitlich rechts auf das Bautenensemble der Matthäus-Kirche. Nach dem Empfang durch die Kolonnaden, die 1930 von Otto Salvisberg entworfen wurden (dem wir auch die "Weiße Stadt" in Reinickendorf verdanken), stehen wir vor dem Kirchenbau, der in den Jahren 1876–80 vom Kreisbauinspektor Gette geplant und von den Gebrüdern Schmidt errichtet wurde. Besonders sehenswert sind die Altarfenster, die nach dem Krieg von dem Steglitzer Künstler Erich Waske geschaffen wurden.

Die Matthäus-Kirche war während der NS-Zeit ein wichtiges Zentrum der Bekennenden Kirche. Vielleicht ist dies darauf zurückzuführen, dass Otto Dibelius, der nach dem Krieg evangelischer Bischof von Berlin und Brandenburg wurde, auch hier in der Nähe wohnte, in der Schmitt-Ott-Straße.

Sprung zurück in die Gegenwart, in diesem Jahr wird gefeiert: 125jähriges Bestehen! Aber in diesem Alter knirscht es schon mal im Gebälk: Das Dach muss dringend instandgesetzt werden. Im Krieg von Bombenschäden weitgehend verschont, hat der "Zahn der Zeit" nun ausgiebig genagt. 195.000 Euro müssen insgesamt aufgebracht werden, die nicht allein durch die Gemeinde finanziert werden können, sondern auch durch einen gemeinsamen Kraftakt der übrigen Gemeinden im Kirchenkreis. Spenden sind natürlich hochwillkommen (Postbank Berlin BLZ 100 100 10, Kto.-Nr. 479 146 104, Stichwort "Dach"). Der Besuch eines Orgelkonzerts (J.S. Bach "Lobet den Herrn" und F. Schubert "Messe G-Dur") am 23. Oktober um 18 Uhr wäre eine gute Gelegenheit, diesen Ort kennenzulernen.

Das Kirchengelände grenzt an die Rothenburgstraße, in der ein paar Schritte weiter (Nr.14) die Johann-August-Zeune-Schule für Blinde und Sehbehinderte ihren Sitz hat. Benannt nach J. A. Zeune, dem ersten Lehrer an der ersten Blindenschule Deutschlands, der "Preußisch-Königlichen Blindenanstalt" in Berlin. 1877 siedelte sie hierher über, dreizehn Jahre später kam ein Blindenheim dazu. Der Name Rothenburg steht in Zusammenhang mit diesen Institutionen, Friedrich Ernst Freiherr von Rothenburg stiftete sein Vermögen für deren Zwecke.

Das Angebot der Schule umfasst alle Schulzweige, darüber hinaus die berufliche Bildung. So gibt es seit 2000 die Möglichkeit, eine Ausbildung zur "Fachkraft für Büro- und Telekommunikation" zu absolvieren. Ebenfalls an diesem Standort sind das Blindenhilfswerk und das Deutsche Blindenmuseum untergebracht. Hier werden Erfindungen gezeigt, die den Blinden das Leben erleichtern sollen. Es hat jeden Mittwoch von 15 bis 18 Uhr geöffnet.

Und nun geht es zum Höhe- und Schlusspunkt auf dem Fichtenberg, dem alten Wasserturm in der Schmitt-Ott-Str. 13. Landesbaurat Otto Techow plante von 1885 bis 1886 den massiven, 40 m hohen Turm, der der Wasserversorgung der Umgebung diente. 2000 m³ Wasser fasste das Hochreservoir. Da seinerzeit noch Mauerwerk und nicht Stahlbeton zur Lastabtragung verwendet wurde, mussten die Umfassungswände entsprechend dimensioniert sein: Im Fundamentbereich 3,80 m dick, nach oben verjüngt auf immerhin noch 1,20 m.

Zeichnung des Wasserturms
Foto links: undatierte Postkarte aus dem Archiv des Heimatvereins Steglitz e.V.

Auch dieser Turm – so wie die übrigen im Stadtgebiet – löste nach dem Wegfall seiner eigentlichen Funktion Diskussionen über den Abbruch oder die Weiternutzung aus. Nach denkmalpflegerischen Vorgaben des Landeskonservators wurde der Turm von 1979 bis 1981 umgebaut, zunächst "entkernt" und dann mit sieben Geschossen "gefüllt": Oben zwei Büroetagen, darunter Technik- und Archivräume.
Idealer Nutzer der Räume ist seitdem das Institut für Meteorologie der FU Berlin. Die korrekte Bezeichnung und Rechtsform der Institution hat sich im "Sturm" der Verwaltungsreformen geändert, heute heißt der Nutzer "Berliner Wetterkarte e. V.", ein Verein zur Förderung der meteorologischen Wissenschaft, der eng mit dem FU-Institut kooperiert und dem Deutschen Wetterdienst in Offenbach/M. zuarbeitet. Stündlich erfolgen die Meldungen der Wetterdaten dorthin. Die Mitarbeiter im Turm, die den weiten Rundblick für ihre wissenschaftliche Arbeit mitnutzen können, versorgen ebenfalls den Wassersport Informations Dienst (www.wind-berlin.de) mit ihren Messergebnissen.
Wer in seinem Berufsbereich die aktuellen Daten ständig braucht, kann sich per Abonnement täglich über Vorhersagen informieren lassen (www.berliner-wetterkarte.de).

Doch zurück in die Steglitzer Niederungen. Dem Kenner wird der Bericht nicht allumfassend genug sein, doch wer noch nichts von diesem interessanten Areal gehört hat, dem mag der Einstieg erleichtert worden sein. Das "Vorfeld" zum Berg wie die Schwartzsche Villa oder das Schlosspark-Theater blieben bewusst unerwähnt, weil wir in der Redaktion uns demnächst gezielt mit diesen Themen beschäftigen wollen.

Marina Naujoks

Oktober 2005  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis