Lateinamrikanische Künstlerinnen in Berlin
 
 
PERSPECTIVA INTERIOR - PERSPECTIVA EXTERIOR
INNENSICHTEN - AUSSENSICHTEN


Doris Hinzen-Röhrig, "Earth_Line", 2005, Dipthychon, je 100x100cm

Lateinamerika: ein schillernder Kontinent mit riesigen Ländern wie Argentinien, Chile oder Brasilien. Allein Brasilien, das größte Land, hat eine Nord-Süd-Ausdehnung, die etwa der Entfernung vom Nordkap bis Gibraltar entsprechen würde. Unterschiedlichste Klimazonen vereint dieser Kontinent, vom tropischen Regenwald bis zum kargen Hochland und den unendlichen Grassteppen der Pampas, zerteilt vom monumentalen Gebirgszug der Anden.

Als die Künstlerin Doris Hinzen-Röhrig im Sommer diesen Jahres der Einladung der Galerie Parte del Arte in Bogotá folgte, um ihre Arbeiten "Sky_Line" in Kolumbien zu zeigen, war die Zustimmung zumindest im Freundeskreis eher verhalten. Besorgt wurde sie ein- um das andere Mal befragt, ob sie sich das denn genau überlegt hätte.

Für uns Europäer, die wir bei aller Unterschiedlichkeit klimatisch und gesellschaftlich in eher gemäßigten Breiten leben, erscheint uns dieser Kontinent nicht nur faszinierend, sondern durch Bürgerkriege und die von Folter und Unterdrückung geprägte Zeit der Militärdiktaturen auch bedrohlich. Ein Übriges tun die Nachrichten jüngerer Zeit, die von Drogenkriegen, Korruption und Entführungen ahnungslos-naiver Touristen berichten.

Doris Hinzen-Röhrig ließ sich nicht beirren. Sie wollte hinter dieses Konglomerat aus Naturschönheit und Bedrohung schauen, Land und Leute selbst kennen lernen, das innere Bild von Kolumbien sich am realen Außen reiben lassen. Ihre Erfahrungen aus der Zeit in Bogotá und Medellin, die Begegnung mit den Menschen vor Ort, die Streifzüge durch die Städte fanden Eingang in ihre Arbeit "Earth_Line". Hier setzt sie sich mit dem Thema Erde auseinander. Zum Abschied schreibt sie in ihr kolumbianisches Tagebuch:

"Auf ewig wird mich die Herzlichkeit und die Gastfreundschaft der Kolumbianer im Inneren begleiten, die wie ihre getanzte Liebe zu Salsa oder Merengue zwischen Himmel und Erde angesiedelt scheint."

Der Abschied fiel schwer, aber Doris Hinzen-Röhrig konnte mit einer Gegeneinladung an die kolumbianische Künstlerin Mari Rincón den Dialog zwischen den Kulturen fortsetzen.

So lädt nun die galerie futura zur Ausstellung "Innensichten - Außensichten". Zusätzlich zu den beiden Austauschkünstlerinnen konnte die Galerie mit Doris Contreras aus Guatemala, Margarita Farré und Suzana Queiroga aus Brasilien drei weitere hochkarätige lateinamerikanische Künstlerinnen gewinnen.


Doris Contreras, "La marcha" (Der Marsch), 2005, 79x110cm

Doris Contreras, die ihr Land 1997 zum zweiten Male bei der Biennale in Venedig vertreten konnte, beschäftigt sich in ihren Arbeiten immer wieder mit den sozialen Strukturen ihres Landes, den Um- und Aufbrüchen, die ein über vierzigjähriger Bürgerkrieg den Menschen auch heute noch abverlangt. 


Margarita Farré, "Mulher Repousando" (ruhende Frau), patinierte Bronze, 70x25x30cm

Auch bei Margarita Farré waren es schon immer die Menschen ihres Landes, deren Ausdruck sie in ihren kraftvollen und doch zugleich poetischen Plastiken festhält. Eine schier endlose Liste von Einzel- und Gruppenausstellungen belegt die Bedeutung, die dieser Künstlerin in Lateinamerika und zunehmend auch in Europa zugemessen wird. 


Mari Ricón, 1962-La hija de la Violencia, ("1962 - Die Tochter der Gewalt"), 2005

Mari Rincón transzendiert das Thema Mensch in ihrer Malerei und verbindet es mit dem fundamentalen Thema Erde. Die Bildinstallation "Earth_Line" von Doris Hinzen-Röhrig nimmt die "unerwartete Wucht" des Themas Erde auf. Räume, Innen- und Außen, sind Ausgangspunkt der Farbmalereien von Suzana Queiroga, die ihre Themen aus architektonischer Sicht entwickelt.

Das Thema "Innensichten-Außensichten" ist bei einiger Überlegung sehr eng verbunden mit dem Begriff Gastfreundschaft. Lädt man jemanden in sein Haus ein, bedeutet dies auch, sich dem anderen gewissermaßen "ungeschminkt" zu zeigen, ohne die Angleichungen des gesellschaftlichen Alltags, die Persönliches nivellieren. Gastfreundschaft bedeutet auch, das eigene Innere dem Anderen gegenüber zu öffnen. Mehr nach Außen zu geben, als wir bereit wären, wenn wir uns im Außen befinden.

Gastfreundschaft beinhaltet die Bereitschaft im gegenseitigen Vertrauen voneinander zu lernen, unter solchen Umständen können dann auch aus Gästen Freunde werden.

Der große Pablo Neruda sagt in seinem Gedicht "Worte an Europa":

"Ich sage euch: ich bin hierher gekommen,
zu lernen von euch,
von diesem und jenem, von allen,
denn wozu diente mir
die Erde, wozu entstanden
das Meer und die Wege,
wenn nicht, um schauend einherzugehn und zu lernen
von allen Wesen ein wenig."

Termine:
Dauer der Ausstellung: 8. Oktober bis 11. November 2005
Vernissage: Samstag, 8. Oktober, 17 Uhr, Begrüßung: Uta Koch-Götze, M.A., Einführung: Bettina Lukacevic, Kunsthistorikerin
Sonderöffnung: Sonntag, 9. Oktober, 15 - 18 Uhr: die Künstlerinnen Doris Contreras, Doris Hinzen-Röhrig und Suzana Queiroga laden zum Gespräch
Finissage: Freitag, 11. November, 19.30 Uhr
galerie futura, alpha-nova kulturwerkstatt, Wiesbadener Straße 83, 12161 Berlin-Friedenau
Öffnungszeiten:
Di - Do 15.00 Uhr - 18.00 Uhr, Fr 16.00 - 19.00 Uhr,
Sa 15.00 - 18.00 Uhr, sowie nach Vereinbarung

Begleitet wird die Ausstellung von einem umfangreichen Rahmenprogramm, so findet am Freitag, den 14. Oktober um 19.30 Uhr eine Performance aus Gesang, Musik und Bewegung mit den brasilianischen Künstlern Zula Lemes und Marcelo Royo statt. Weitere Termine entnehmen Sie dem Veranstaltungskalender der alpha-nova kulturwerkstatt.

Oktober 2005  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis