25 Jahre KommRum in Friedenau
Die Kontakt- und Beratungsstelle feiert

Foto: Sigrid Wiegand

Die 70er Jahre waren die große Zeit der alternativen Entwürfe: Jugendliche verließen ihre Elternhäuser und sammelten sich in Wohngemeinschaften, Frauen fingen an, sich zu solidarisieren, anstatt zu konkurrieren; wir begannen, uns auszuprobieren, versuchten, uns in Selbsterfahrungsgruppen auf die Sprünge zu kommen, in Selbsthilfegruppen gegenseitig beizustehen. Die Menschen interessierten sich für ihre Mitmenschen, oft unterstützt von SozialarbeiterInnen, PädagogInnen, PsychologInnen, die in ihren Fachgebieten nach neuen Wegen suchten. Aus Italien schwappten Basaglias Ideen einer offenen Psychiatrie herüber, der die Kliniken öffnete und die Insassen wieder am Leben teilnehmen lassen wollte, anstatt sie wegzusperren.

Diese Idee der sog. Entpsychiatrisierung von Menschen in psychosozialen Krisen wurde 1980 von SozialarbeiterInnen und PsychologInnen aufgegriffen, die im Hintergebäude einer alten Friedenauer Villa in der Schnackenburgstraße 4 das KommRum gründeten, eine Begegnungsstätte mit einem integrativen Ansatz, die Menschen auf der Suche nach Kontakten und neuen Erfahrungsmöglichkeiten und Menschen in psychosozialen Krisen oder aus dem Umfeld der Psychiatrie gleichermaßen ansprechen wollte. Die Zeit war günstig für ein derartiges Projekt. Viele Kiezbewohner, aber auch Menschen aus anderen Bezirken, besuchten das KommRum und nahmen an den Gruppenaktivitäten teil. Wir probierten Neues aus, meditierten, lernten die Möglichkeiten der unterschiedlichen Yogaformen kennen und schätzen. In Wochenendtreffen mit Themen wie "Nähe und Distanz" oder "Intimität" lernten wir, uns auf spielerische Weise näher zu kommen, kochten gemeinsam und übernachteten in Schlafsäcken in allen Ecken und Winkeln des Hauses - Erlebnisse, an die ich mich noch gern erinnere. Im schönen öffentlichen Café des Hauses konnte man sich mit alten und neugewonnenen Freunden treffen und saß auch mit den sog. "Irren", wie sie sich selbst nannten, zusammen und konnte seine Berührungsängste abbauen. War man auf irgendeine Weise "problembeladen" oder suchte Rat, ließen sich hier auch zwanglos Kontakte mit den Mitarbeitern des Hauses anknüpfen.

Die Zusammenführung von ausgegrenzten und sog. normalen Menschen in der Gesellschaft war und ist das Konzept des KommRum; hier ist Gelegenheit für eine angstfreie und auf Wunsch auch anonyme Begegnung. Das KommRum feierte am 2. September sein 25jähriges Bestehen mit einer großen schönen Party, auf der man Bekannte traf und sich, war man lange nicht mehr dagewesen, über die erfolgreiche Arbeit der "Komm Rummis" informieren konnte: therapeutische Wohngemeinschaften sind in mehreren Bezirken Berlins entstanden, betreutes Einzelwohnen wird angeboten in der eigenen Wohnung oder in Appartments für Menschen, die die Dichte einer Wohngemeinschaft nicht gut vertragen. Auch die alte Idee einer Landwohngemeinschaft ist inzwischen verwirklicht worden. Und nach der Wende wurde ein weiteres KommRum in Friedrichshain eröffnet!
Immer noch aber gibt es auch viele Angebote für die Kiez- und anderen Bewohner der Stadt: Gesprächs- und Selbsterfahrungsgruppen für Frauen, Körperwahrnehmung und Entspannung, Töpfern, Salsakurse, Computerkurse für Einsteiger, Musiktherapie, Pantomime, Lesungen, Ausstellungsmöglichkeiten für KünstlerInnen. Und wer selbst etwas anbieten möchte, hat hier die Gelegenheit dazu. Angehörige psychisch Erkrankter können sich Rat und Hilfe holen in Einzelberatungen und Gesprächsgruppen und können sich in Selbsterfahrungsgruppen mit anderen Betroffenen austauschen.

Es lohnt sich, einmal in der Schnackenburgstraße vorbeizukommen und sich an Ort und Stelle selbst ein Bild zu machen!

Sigrid Wiegand

KommRum e.V.
Schnackenburgstraße 4
12159 Berlin-Friedenau
Tel.: 851 90 25 Fax: 859 31 76
www.kommrum.de

Allg. Öffnungszeiten von Kontakt- u. Beratungsstelle und Café:
Di.–Do. u. Sbd. 16–22 Uhr, Freitag 15–19 Uhr

Oktober 2005  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis