Amsterdamerin in Berlin
"Die erotischste Beziehung in Europa ist die zwischen
Niederländern und Deutschen, behauptet der niederländische Autor Dik Linthout. Und
Maria Crombeen zitiert ihn gern, wenn sie die eigenartige Beziehungskiste
zwischen den zwei europäischen Nachbarn beschreiben will. Sie muss es wissen: ist die
Sprachlehrerin und Sozialpädagogin doch selber seit über 35 Jahren mit einem Deutschen
verheiratet.
Zur intensiven Beschäftigung mit der Sprache kam Maria Crombeen eigentlich erst mit dem
Wechsel nach Berlin 1970, nicht zuletzt auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die
Ausbildung zur kaufmännischen Angestellten in der niederländischen Handelsmetropole
reichte ihr nicht mehr aus; sie holte in Berlin das Abitur nach und studierte hier
niederländische Philologie und Germanistik. Dabei galt ihr Hauptinteresse immer eher den
Beziehungen zu und zwischen den Menschen als der abstrakten Sprach-Wissenschaft.
Geradezu folgerichtig also, dass die temperament- und humorvolle Niederländerin später,
als sie schon Mutter zweier Kinder und bereits Fremdsprachenlehrerin war, noch ein
sozialpädagogisches Studium anschloss, das ganzheitlich beim Menschen ansetzt. Diese
Perspektive hilft ihr auch bei ihrem niederländischen Sprachunterricht, den sie seit
vielen Jahren an der VHS Schöneberg anbietet und der sich inzwischen zu einem ganzen
Fachbereich mit acht Kursen unterschiedlicher Niveaustufe pro Semester gemausert hat. Seit
2000 bereitet sie außerdem beim Auswärtigen Amt Diplomaten auf die niederländische
Sprache vor. Und sie arbeitet, um die Bodenhaftung nicht zu verlieren,
sozialpädagogisch mit Familien bei einem freien Träger der Jugendarbeit. Etwas
Authentisches will sie dabei vermitteln, sagt Crombeen, und ihre Sprache will sie
weitergeben als lebendiges Ganzes - auch mit einem kulturellen Hintergrund, der über
Stereotype hinausgeht.
Dass Holland mehr ist als Tulpen und Käse und Joints in Amsterdam, braucht sie den
Teilnehmer/innen in ihren Kursen heute nicht mehr beizubringen. Die haben oft schon
persönliche Beziehungen zu Land und Leuten aufgebaut, ehe sie in den Sprachkurs kommen.
Vorurteilsfrei ist das Verhältnis dennoch nicht. Oft wird die niederländische Sprache
chronisch unterschätzt, weil sie dem Deutschen auf den ersten Blick trügerisch ähnlich
sieht. Und dann wirken da noch die Frau Antje-Medien-Klischees. An
welche Kindersendung erinnern Sie mich ? wurde Maria Crombeen neulich bei einer
Party auf ihren Akzent hin angesprochen.
Sie erzählt es mit ironischem Augenzwinkern; und im selben Atemzug leitet sie daraus ihre
Begeisterung dafür ab, in den Europaprojekten der Volkshochschule mitzumachen. Zusammen
mit den niederländischen VHS-Partnern hat sie eine Kultur-Sprach-Begegnungsreise nach
Amstelveen konzipiert, die sie im Oktober zusammen mit vierzehn Berliner Interessierten
antritt. Den schönen und schwierigen Spagat wird sie dann erneut versuchen
zwischen ihren zwei Leben als Niederländerin und Deutsche.
Oktober 2005 Stadtteilzeitung
< Inhaltsverzeichnis
|