Kulturdenkmal soll abgerissen werden
Die Yorckbrücken sind in Berlin bekannter als alle andern
Brücken, da sie eine Neuentwicklung von schmiedeeisernen Brücken für die Eisenbahn
waren.
Verschwenkung des "Generalszugs"
Peter Joseph Lenné hatte in seinem nach den Absichten des Königs Friedrich
Wilhelm IV aufgestellten Bebauungsplan 1840 für die Gebiete außerhalb der Stadt (-mauer,
die an der heutigen Stresemann-, Gitschiner- und Skalitzer Straße stand) eine
Gürtelstraße mit Achsen und Plätzen entworfen, der "Generalszug", der nach
Generälen der Preußischen Armee benannt wurde: von der Hardenbergstraße über
Tauentzien-, Kleist-, Bülow-, (Horn-) schließlich bis zur Yorck- und Gneisenaustraße.
Geschichtliche Quellen weisen nach, dass im Hobrechtplan von 1860 wegen der aktuellen
Entwicklung der noch privaten Eisenbahnen für die Anlage eines entsprechend langen
Güterbahnhofsgeländes südlich des Landwehrkanals dieser Straßenzug bis zur Höhe der
Hagelberger Straße verschwenkt werden musste. Obwohl der Hobrechtplan die Generalsachse
mit einem "Wahlstattplatz" in der Mitte der heutigen beiden ehemaligen
Güterbahnhöfe vorgesehen hatte, war durch die bereits realisierten Eisenbahngleise 1838
die ursprüngliche Planung durchkreuzt. Die Anhalterbahn mit dem ersten Gebäude des
Anhalter Bahnhofs wurde 1841 eröffnet. Die Feststellung eines Bebauungsplans erfolgte
erst durch Kabinettsorder vom 18. Mai 1861. Die Verschwenkung in die heutige Lage war
wegen der damaligen Grundwasserverhältnisse nötig, um die Gürtelstraße mit 4,4m
erforderlicher Lichthöhe überhaupt unter den Gleisen durchführen zu können. Die Breite
der Gürtelstraße wurde im Bereich der Unterführung unter den Bahnen auf Wunsch des
Berliner Magistrats, dem die Herstellung der Straße oblag, von 56 m auf 26,4 m (7 Ruthen)
eingeschränkt. Am 16. Oktober 1868 wurde durch Kabinettsorder endgültig über die
Verschwenkung der Yorckstraße entschieden und zugleich die Bauausführung für den Neubau
des (zweiten) Potsdamer Bahnhofs genehmigt. Gebaut wurde die verschwenkte Yorckstraße mit
den notwendigen Eisenbahnbrücken aber erst 1881.
Aufschüttung des Geländes
Alle Rangierbewegungen auf den beiden Bahnhöfen nördlich des
Landwehrgrabens sperrten den lebhaften Straßenverkehr am Tempelhofer Ufer, um so mehr,
als 1857 und 1858 südlich des Kanals noch besondere Reservegleise angelegt wurden. Gegen
Ende des 19. Jahrhunderts hatte der Eisenbahnverkehr so zugenommen, dass der Verkehr auf
Straßen an Bahnüberquerungen häufig gestoppt werden mußte. Dies war von Anfang an
hinderlich und sollte bei der Anlage eines Güterbahnhofs südlich des Landwehrkanals
ausgeschlossen werden, da bei dichterem Verkehr der Straßenverkehr nach Berechnungen alle
4 Minuten unterbrochen werden müsste, um Unfälle zu vermeiden wurden. Um dieser
Problematik aus dem Wege zu gehen, sollten die Schienen auf einem eigenen Niveau angelegt
werden.
Immer wieder kam es zu Verzögerungen beim Schiffsverkehr auf dem Landwehrkanal bzw. zu
Unfällen mit Pferdefuhrwerken, weil einmal in Gang gesetzte Züge nicht abrupt bremsen
konnten. Deshalb sannen die Planer auf eine dauerhafte Abhilfe. Der Unfall am
Landwehrkanal beschleunigte die Planung, bei dem eine Lokomotive wegen einer für den
freien Schiffsverkehr weggedrehten Drehbrücke nicht mehr bremsen konnte und in den
Landwehrkanal stürzte. Diese Unzulänglichkeiten legten damals schon einen vollständigen
Umbau des (Anhalter) Bahnhofs nahe.
Verstaatlichung der Eisenbahnen
Die Verhandlungen wegen der Verstaatlichung des Unternehmens führten zum
Vertrag vom 24. Dezember 1879; infolge dessen erfolgte die Verwaltung und der Betrieb vom
1. Januar 1879 an auf Rechnung des Staates. Das ganze Unternehmen ging auf Grund des
Gesetzes vom 14. Februar 1880 am 1. April 1880 in die Hände des Staates über. Die
Verwaltung wurde durch Königlichen Erlass vom 25. Februar 1880 der Eisenbahndirektion zu
Magdeburg, die Betriebsanleitung dem unter diesen stehenden Betriebsamte Berlin
übertragen. Auf Grund des Vertrages vom 8. März und des Gesetzes vom 13. Mai 1882 gingen
Betrieb und Verwaltung der Anhalter Bahn an den Staat über.
Die somit staatliche Bahngesellschaft (die Berlin-Potsdam-Magdeburger
Eisenbahngesellschaft und die Berlin Anhaltische Eisenbahn) ließ deshalb das Gelände
Anfang der 1880er Jahre 3,5 m hoch aufschütten und die schmiedeeisernen Brücken von 26,4
m Länge mit den prägnanten Stützen über die verschwenkte Yorckstraße in die heutige
Straßenführung bauen.
Das Brückenensemble
Damit wurden die gusseisernen Stützen und schmiedeeisernen
Brückenkonstruktionen für die Bahnüberführung über die Yorckstraße notwendig, die
heute das Brückenensemble bilden. Schon im Zuge der Neuplanung der Langenscheidtbrücke
1981 befaßte sich die Bürgerinitiative Westtangente mit den Brückenensembles
Yorckstraße (1883), Langenscheidtbrücke (1890) und Prellerweg-Bahnbrücken (1928). Aus
der Eisenbahngeschichte gehören diese Brücken zusammen, auch wenn sie nicht gleichzeitig
entstanden sind.
Von den schließlich 33 Eisenbahnbrücken über die Yorckstraße sind etwa ein Dutzend
entfernt, ein Teil durch neue Konstruktionen ersetzt worden. Die Brücken wie auch die
Pfeiler ("Hartung'sche Säulen") laut Denkmalverzeichnis von u.a. Franz
Schwechten (Architekt) und Heinrich Seidel (Stahlkonstruktion) stehen unter Denkmalschutz.
Ihre Schäfte wurden dekorativ gestaltet. Zum Schutz vor Autounfällen wurde
der untere Meter mit Beton ummantelt. Trotzdem schaffte es vor wenigen Wochen eine junge
Frau mit ihrem Pkw, einen dieser Pfeiler aus seinem Auflager 20 cm zu verschieben, als sie
nach ihrem Handy suchte selbstverständlich mit überhöhter Geschwindigkeit.
Leider versteht die Deutsche Bahn AG als Eigentümerin dieses Brückenensembles nicht
dasselbe unter Denkmalschutz wie der zuständige Bezirk Tempelhof-Schöneberg und das
Landesdenkmalamt (LDA). Der dortige Mitarbeiter bemüht sich immer wieder um Gespräche
mit Verantwortlichen der Bahn AG und versucht diesen klar zu machen, dass bei Bedarf
jederzeit mit ihm zu reden sei. Doch die Bahn entfernte im Jahr 2003 eine schmiedeeiserne,
genietete Brücke, um die Stahlbrücken für die neuen Fernbahngleise an deren Stelle zu
platzieren. Wo die Brücke geblieben ist, weiß dieser Mitarbeiter des LDAs nicht. Zu
vermuten bzw. zu befürchten ist, dass sie ganz einfach verschrottet wurde.
Norbert Rheinlaender
AG Gleisdreieck
Oktober 2005 Stadtteilzeitung
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