Künstler im Kiez: Eva Kreutzberger
Die Frau hat Bodenhaftung. Sie stützt sich rückwärts mit beiden
Händen ab, die Knie angewinkelt, die Zehen berühren den Boden, geben Halt. In der
Bilderfolge scheint sie sich zu drehen, zu schwimmen - den Grund unter sich verliert sie
dabei nicht. Sie ist nackt - aber auch wieder nicht. Schwebt dem Betrachter scheinbar
schutzlos entgegen und entzieht sich zugleich.
Die Dynamik der körperlichen Bewegung hat die Schöneberger Künstlerin Eva Kreutzberger
seit ihrer frühen Jugend fasziniert, Körpern galt von Anfang an ihr künstlerisches
Interesse. Bereits im Alter von 17 Jahren begann sie mit dem Studium der visuellen
Kommunikation an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen - dank ihres Vaters, der das
Talent seiner Tochter früh erkannt hatte. In ihrer Diplomarbeit "verarbeitete"
sie die ersten Körper - ihr damals 13jähriges Geschwister-Zwillingspaar.
Nach dem anschließenden Studium an der HdK Berlin bei Prof. Thieler, einem wichtigen
Vertreter des europäischen abstrakten Expressionismus, begann sie mit ihren
großformatigen Arbeiten mit Elementen des Action-Paintings. Die so entstandenen Bilder
vermitteln einen Eindruck von Körperlichkeit - ihre Körperlichkeit drückte sich dabei
mittelbar durch figurative Elemente, entstanden durch die spontanen Bewegungsabläufe aus,
mit denen sie die Farben auf die horizontale Fläche expedierte.
Diese Arbeiten führten Eva Kreutzberger konsequent zu ihrem aktuellen Thema: das
Selbstporträt, verfeinert mit den Stilmitteln der Vermischung von Fotografie und Malerei
und seit einigen Jahren mit dem Schwerpunkt "Körper in Bewegung". Ihre heutigen
Arbeiten verbinden das Ursprungsthema Körperlichkeit, jetzt auf sie selbst bezogen, mit
den Elementen des Action-Paintings. Basierten ihre ersten Fotografie-Malerei-Kompositionen
noch auf rein statischer Körperhaltung, entwickelten sich die Arbeiten nach und nach zu
einer Darstellung der Dynamisierung des Körpers. Die Fotografien zeigen die Künstlerin,
halten sie mitten in einer Bewegung fest. Hintereinandergesetzt wirken die Fotos wie ein
Bewegungsablauf - ein filmisches Element. Dabei schaut sie den Betrachter des Bildes an,
herausfordernd, auffordernd - zu Kritik, Fragen, Irritationen. Sie stellt sich dem
Betrachter. Die Übermalungen der Fotos reduzieren den Körper auf einen Aspekt - den
reinen Blick der Künstlerin auf den Betrachter, die Betonung einer bestimmten
Körperhaltung oder -form, ein Detail der Bewegung.
Ein Schlüsselerlebnis für die Idee der Übermalungen - als eine Art Verhüllung der
Ganzkörperfotos - war für Eva Kreutzberger ein Arbeitsaufenthalt in Oman. Die
Konfrontation mit einer anderen Art der Körperlichkeit : Der verhüllte Körper im
Gegensatz zu dem nackten als "wahren" Körper. Ihre Beobachtungen von
verschleierten Frauen in Bergdörfern inspirierten sie zu weiteren Fotoübermalungen.
Die Verbindung von Körperaktionen im Foto und malerischer Aktion auf der Fläche
verdichtet sich zur Detailansicht. Der Farbe der Übermalung kommt dabei eine wesentliche
Rolle zu: rosa z.B. kann die Empfindsamkeit des Körpers betonen, gelb die Konturen der
weiblichen Form. Die Farben rührt sie selbst an, eine Mischung aus Pigment, Wasser, Öl
und Ei (Ei-Tempera).
Eva Kreutzbergers Bilder können durchaus Irritationen bewirken. Wie begegnet sie dem?
"Das Thema Selbstporträt ist das aktuelle Ergebnis einer jahrzehntelangen
Entwicklung, ausgehend von meinem Ursprungsthema "Körperlichkeit". Es geht mir
dabei natürlich nicht um meine eigene Person, obwohl autobiographische Elemente
einfließen. Der Produktion von Bildern weiblicher Körper in Medien, Werbung usw. sind
wir permanent und in jedem Lebensbereich ausgesetzt. Die sich unaufhörlich selbst
reproduzierend fortsetzende Bilderfülle bietet jedoch keine Vielfalt, sondern reduziert
sich auf - meist erotische - Stereotype. Der Ausgangspunkt meiner bildnerischen Arbeit
hingegen sind Körperbewegungen, die nichts mit den äußerlichen Stereotypen erotischer
Frauenbilder gemein haben, sondern expressiv innere Abläufe thematisieren. Die aus der
Bewegung entstandenen Fotos sind Material für Übermalungen, die Details des Körpers
hervorheben, verdecken, rhythmisch anordnen und dynamisieren."
Seit 2003 gestaltet die Künstlerin, zusammen mit Partner, auch nicht figurative,
großformatige Arbeiten, in denen sie dynamische Elemente des Action-Paintings mit Mitteln
der Performance und Interaktion mit dem Publikum verbindet.
Eine Frau in Bewegung, mit Bodenhaftung, irritierend, inspirierend.
Rita Maikowski
Ausstellungen und Aktionen von und mit Eva Kreutzberger:
Zur Zeit: Praxisgemeinschaft fera im Wenckebachkrankenhaus, Wenckebachstr.
23, 12099 Berlin; im Rahmen dieser Ausstellung zeigt die Künstlerin in der Galerie
Vivantes Wenckebachklinikum Gemeinschaftsarbeiten mit Partner;
3.9.2005 ab 15 Uhr, "Magistrale Kulturnacht",
Potsdamer Straße, Malparty in den Kleistkolonnaden, Infos: www.magistrale-kulturnacht.de;
Im Rahmen der Veranstaltung "local art" des
Kunstvereins Quarts e.V. "Offene Ateliers Tempelhof-Schöneberg", 1. und
2.10.2005, 14 -18 Uhr, Atelier Belziger Straße 25;
5.10.-20.11.2005: "beileibe bei leibe bei Leibe"
(zusammen mit Klaus Mertens, Holzschnitt), Schwartzsche Villa, Galerie, Grunewaldstraße
55, Berlin (Steglitz)
Di-Fr / So 10-18, Sa 14-18 Uhr, Eintritt 1,50 Euro, Mi freier Eintritt; Vernissage
4.10.2005 ab 19 Uhr.
September 2005 Stadtteilzeitung
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