Es geht rund am Walther-Schreiber-Platz
Gewerbe im Kiez

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Foto: Abriss des Hertiehauses am Walther-Schreiber-Platz - mit deplaziert wirkender Werbung im Hintergrund

Weit mehr als hundert Anwohner waren der Einladung der Bezirksstadträtin Frau Dr. Ziemer gefolgt, um den Stand des Bebauungsplanverfahrens des Schloss-Strassen-Centers (SSC) und der Neugestaltung des Walther-Schreiber-Platzes zu erfahren. Der dreistündige Informationsabend gestaltete sich lebhaft bis turbulent. Die Anwohner, die sich mit Fragen, Kritik oder Anregungen zu Wort meldeten, einte die Aussage: Unsere Belange werden unzureichend berücksichtigt, unsere Wohnqualität wird - insbesondere durch das Parkhaus - in nicht hinzunehmendem Maße beeinträchtigt, die geplante Mall ist ein phantasieloses Produkt zur Umgestaltung des Walther-Schreiber-Platzes und wird kaum zu einer sinnvollen Belebung der Rheinstraße/Schloßstraße führen. Gegenmeinungen kamen von Mitgliedern der BVV. Bis auf den Vertreter von Bündnis 90/ Die Grünen wurde Partei unabhängig das langwierige Verfahren und die immer wieder verzögerte Durchführung moniert. Eine zügige Erteilung der Baugenehmigung sei zwingend erforderlich. Interessanterweise gab es übrigens einen BVV-Beschluss, die Bürgerbeteiligung in den Sommerferien durchzuführen.

Die Änderungen
Herr Tenkhoff als Vertreter der Investoren erläuterte an 21 Punkten die Änderungen, die aufgrund der bisherigen Einwände und Gutachten in den Bebauungsplan eingearbeitet wurden.

So sollen z.B. eine Dachbegrünung ökologische Nachteile ausgleichen und beim Parkhaus bauliche Maßnahmen die Lichtbelästigung nach außen mindern. Die Zufahrt für die Liefer-Lkws ist jetzt über die Bundesallee geplant.

Das SSC wird über die Fläche der Front des ehemaligen Hertie-Kaufhauses hinausgehen, der derzeitige U-Bahnausgang entfällt damit. Der neue Ausgang bietet eine Treppe zur Straße, einen behindertengerechten Aufzug, der im SSC endet und sich zur Straßenseite hin öffnet, die Bahnhofshalle erhält einen Ausgang direkt in das Untergeschoss des SSC.

Die Bushaltestelle und die Taxistände in der Mitte des Platzes werden verlegt, stattdessen wird ein Grünstreifen angelegt, als Fortsetzung des Straßenverlaufs der Schloßstraße. Die Endstation der Buslinie 181 wird auf einen Halt vor dem Ebbinghaus-Gebäude vorgezogen, die Haltestelle Friedrich-Wilhelm-Platz entfällt. Diese Busse wenden zukünftig in dem Kreuzungsbereich Bundesallee/Lefèvrestraße. Und hier treffen dann aufeinander: die wendenden Busse, die Anfahrt-Liefer-Lkws, die aus der Lefèvrestraße kommenden Abfahrt-Liefer-Lkws zusammen mit den aus dem Parkhaus abfahrenden Kunden-Pkws. Darüber hinaus gibt es noch den ganz normalen Durchgangsverkehr und damit geht's wirklich rund. Zur Regelung dieser Gemengelage wird an dieser Kreuzung und in der Parkhausausfahrt eine Ampelanlage installiert, die von den Busfahrern gesteuert werden kann. Anwohner der Bundesallee, die sich bisher eher zurückgehalten hatten, gerieten angesichts der Planung des neuen Verkehrsknotenpunktes vor ihrer Haustür aus der Fassung.

Die Bäume kamen zum Schluss. Davon werden nämlich noch einige, insbesondere an der Bundesallee, fallen müssen, allein wegen der neu einzurichtenden Warteplätze für die Busse nach der Endstation. Es würden ja neue gepflanzt, war die tröstende Antwort. Das "Wo" blieb ungeklärt. Ein Anwohner meinte lakonisch, "Pflanzungen im Tiergarten nützen uns hier wenig."

Was kann die Bürgerbeteiligung bewirken?
Die Änderung des ursprünglichen Bebauungsplans für das Grundstück des ehemaligen Hertie-Kaufhauses aus dem Jahr 2000 macht eine erneute Information der Bürger und öffentliche Auslegung des Plans erforderlich. Der geänderte Bebauungsplanentwurf wird zusammen mit den Änderungsbegründungen ab dem 29.8.2005 für die Dauer von einem Monat im Rathaus Tempelhof ausgelegt werden. Der Umweltbericht und diverse Gutachten, die zwischenzeitlich über die Lärm-, Licht- und Schadstoffbelastungen vorliegen, sind ebenfalls einsehbar. Für Fragen stehen während dieser Zeit im Rathaus Ansprechpartner zur Verfügung. Die Bürger können ihre Kritik, Bedenken und Anregungen in einem formlosen Schreiben an das Stadtplanungsamt richten. Geplant ist außerdem eine Information im Internet, mit der Möglichkeit per Formular die Einwände zu äußern.

Die Bürgereinwände werden nach Ablauf der Monatsfrist geprüft und können nach Abwägung der Interessenlagen in den Bebauungsplanentwurf eingearbeitet werden. Der überarbeitete Bebauungsplanentwurf wird der BVV zum Beschluss vorgelegt. Beschließt die BVV den Plan, kann das Bezirksamt die Baugenehmigung für das SSC erteilen. Gegen die Baugenehmigung könnten nur wenige, unmittelbar betroffene Anwohner klagen.

Eine weitere Klagemöglichkeit ergäbe sich nach Festsetzung des Bebauungsplans als Rechtsverordnung durch das Bezirksamt. Nach dieser Festsetzung gleicht der Bebauungsplan einem Gesetz und unterliegt dem Normenkontrollverfahren - ein Rechtsmittel, das jedem Bürger offen steht. Allerdings liegt die Möglichkeit dieser Verfahren in weiter Ferne: die zeitliche Festsetzung der Bebauungspläne ist nicht geregelt. Es gibt in Berlin Bebauungspläne aus den 80er Jahren, die bis heute noch nicht gesetzmäßig festgesetzt sind und auf deren Grundlage Baugenehmigungen erteilt wurden. Faktisch wird eine wirkungsvolle Bürgerbeteiligung bei Großprojekten durch diese Praxis sehr begrenzt.
Es bleibt spannend am Walther-Schreiber-Platz.

Rita Maikowski

Bürgerbeteiligung ab dem 29.8. 2005 im Rathaus Tempelhof, Tempelhofer Damm 165, Tel. 7560 - 0; weitere Hinweise in der Tagespresse.

September 2005  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis

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