Umbau des Kaiser-Wilhelm-Platzes
Was lange währt, wird gut?


Foto: Elke Weisgerber

Wer in den letzten Tagen den zentralen Verkehrsknotenpunkt an der Schöneberger Hauptstraße südlich des Kleistparks mal eben passieren wollte, musste wohl unfreiwillig mit erleben: Die Umbauarbeiten am Kaiser-Wilhelm-Platz - jetzt sind sie in vollem Gange: Seit ein paar Wochen werden die Verläufe der Verbindungs- und Seitenstraßen an die geänderte Verkehrsführung angepasst. Nicht nur Fahrbahnverengungen, auch die zeitweilige Totalsperrung der Kolonnen- und der Einmündung Akazienstraße führen momentan täglich absehbar zur ‚Rushhour' in den Stau.

Im September schon konnte man von Elisabeth Ziemer, der damaligen Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung und Quartiersmanagement, erfahren, dass eine offizielle Einweihung des Platzes in diesem Jahr nicht mehr geplant sei. Sie schilderte, warum die Umgestaltung so zeitaufwendig ist: Sämtliche Maßnahmen erforderten ständige Abstimmungsprozesse mit allen beteiligten Bauleitungen, den Gewerken und der BVG, sei es die Verlegung der Busspuren auf der Hauptstraße oder der Bau einer unterirdischen Bewässerungsanlage, um das Überleben der Platane, des bisher einzigen Grüns auf dem Platz, langfristig zu sichern.

Heinz Tibbe, Stadtplaner des aus-führenden Büros ‚Gruppe Planwerk', bestätigte im November: Mit der Fertigstellung des gesamten Vorhabens ist erst im nächsten Frühjahr zu rechnen. Vor allem die Brunnenanlage mit einer Reihe von Wasserfontänen kann erst nach Ende der Frostperiode in Betrieb genommen werden. Derzeit werden alle Fahrbahnbeläge erneuert. Die kurvenförmige Verlegung der Bordsteinlinien ist bereits abgeschlossen. Trotz aller Widrigkeiten, die zu Verzögerungen führten, wie eine falsche Materiallieferung beim Pflaster oder dem extrem uneinheitlichen Fahrbahnuntergrund sollen alle Flächen noch in diesem Monat geschlossen werden, so dass der Straßenraum spätestens zum Jahresende freigegeben und der Platz dann zumindest provisorisch genutzt werden kann.

Dabei hat der Kaiser-Wilhelm-Platz bereits sichtlich neue Gestalt angenommen: Diente die verkehrsumtobte Mittelinsel in der Form eines spitz zulaufenden Dreiecks bislang offenbar nur dazu, den in Richtung Stadtmitte anflutenden Autoverkehr in links drei, rechts zwei Fahrspuren zu zerteilen und das Betreten dieses schmalen Zufluchtsortes durch hüfthohe Absperrgitter zu verhindern, so ist inzwischen mit der Schließung der beiden Fahrstreifen an der östlichen Seite der Hauptstraße ein breiter, demnächst begehbarer Fußgängerraum entstanden. Das ‚Plätzchen' ist zu einem Platz herangewachsen, die Insellage ist verschwunden. Unterhalb der Süd-spitze in Höhe der Akazienstraße hat die kürzlich installierte Ampelanlage einen zweiten Übergang geschaffen, den die Passantenströme schon wie selbstverständlich nutzen.

Ob allerdings in Zukunft trotz des tosenden Verkehrs das Rauschen einer Brunnenwand zu hören ist, ob es die Einkaufsbummler zum Verweilen auf die Bänke unter der Platane lockt, wo bisher nur die Tauben rasten, muss noch offen bleiben. Wie in diesem und anderen Medien früher schon berichtet, meinen Kritiker, das Konzept der Umgestaltung greife zu kurz, da das übermäßige Verkehrsaufkommen am Kaiser-Wilhelm-Platz ja nicht verringert, sondern lediglich zusammengeführt wurde.

Ob ein weiteres Ziel des Umbaus zu erreichen ist: Die Aufenthaltsqualität an der Hauptstraße so zu verbessern, dass die dort ansässigen Einzelhändler von stärkerem Zulauf profitieren, wird eher skeptisch gesehen. Die Nerven der örtlichen Gewerbetreibenden sind durch den von Herbst auf Winter verschobenen Abschluss der Umbauarbeiten zusätzlich strapaziert. Unmittelbar an der Hauptstraße gelegene Geschäfte erwarten keine spürbare Verbesserung, solange die Parkplatzsituation so schwierig ist. Und dem Verschwinden der Einzelhandelsgeschäfte kann damit auch wenig Einhalt geboten werden. Die beiden vor einiger Zeit von der Redaktion befragten traditionsreichen Familienbetriebe am Kaiser-Wilhelm-Platz (s. Ausgabe November 2003) haben mittlerweile aufgegeben: ‚Radio Rademacher' musste einem Sportwettenbüro weichen und ‚Betten-Anton' hat sich mit stark reduziertem Warenangebot der Käuferstruktur angepasst.

Direkt an der Kreuzung angesiedelte Geschäftsinhaber stöhnen über die Baustelle, die ihnen momentan die Kunden vertreibt. Einige hoffen aber doch auf Belebung, wenn Lärm und Dreck erst einmal verschwunden sind. Vielleicht bewährt sich der neue Platz ja doch als ein Verbindungsstück zwischen den beiden im Kiez beliebten Flaniermeilen: der Akazien- und der Crellestraße.

Bis es im Frühjahr soweit ist, lässt sich dem Verkehrs- und Baustellenchaos im ‚KaffeeK' angenehm entfliehen. Kaffeeduft und gedämpfte Klänge brasilianischer Musik verbreiten eine friedlich-warme Atmosphäre: Rauchfrei und durch das Fensterglas geschützt, kann man entspannt dem Bagger zuschauen, wie er allmählich einem kleinen Sandberg den Garaus macht. Die Café-Inhaberin Monika Herschler freut sich schon, wenn ihr Steh- zum Straßencafe wird und endlich Tische, Stühle unter Schirmen draußen in der Sonne stehen.

Elke Weisgerber

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November 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis