Gemälde von Patrick Lavaurs im Hotel Friedenau
Solitudes

Vor 500 Jahren berechnete sich der Preis eines Gemäldes nach Anzahl der dargestellten Gegenstände, Feinheit der Ausführung, Kostbarkeit der Farben, Heiligkeit der Figuren... Von allen diesen Aspekten verbleibt dem Künstler der heutigen Zeit nur der letzte: Wie wichtig ist das Thema des Gemäldes, wie wertvoll ist seine Existenz für ihn selbst und für die Welt, in der es geschaffen wurde? Wieviele Gedankenspiele oder welche Meditation vermag es zu entzünden?
René Magritte, denke ich, und: Caspar David Friedrich. Christa Moog sieht auch ein wenig Carl Blechen hervorblitzen. Vorbilder, die sich der Pariser Künstler Patrick Lavaurs in seiner Berliner Zeit anverwandelt hat. Da geraten die Spaziergänger auf den Kreidefelsen von Rügen zu zwei spitzen Felsnadeln, die sich nicht berühren können, das kleine rote Hütchen der Dame bleibt zurück; den Rest der traurigen Geschichte von Missverständnissen, Einsamkeit und verlorener Liebe erzählt das Stillleben, das sich auf dem Tisch vor dem Bild im Bild ausbreitet: Telefonnummern, Weinkorken, ein Telefonhörer...

Menschen sucht man auf den Gemälden vergeblich, bis auf ein gemaltes Passfoto des Künstlers selbst auf dem "Selbstporträt mit Korkenzieher", das er so geschickt in der dicht gehängten Bilderwand verbirgt, dass ich zunächst vermute, das Gemälde sei zwar aufgeführt, aber nicht ausgestellt.
Sehr diskret stellt sich der Symbolismus des Franzosen dar, und doch zeigen seine Stilleben, Landschaften und Stadtansichten sicher mehr von ihm, als er selbst erwarten würde. Skeptisch, ob man ihn verstehen wird? Einerseits verborgen - er gönnt uns selten einen Titel - andererseits ganz offensichtlich, wenn sich der Betrachter ein wenig Zeit nimmt. Seine Bildvordergründe blättern sich in Magrittes Manier gelegentlich auf und zeigen - aber sehen Sie selbst!

Glücklicherweise ist es sehr gemütlich im Uwe-Johnson-Salon des Hotels Friedenau, sonst wäre man der Vielfalt der Sujets kaum gewachsen. Eine "Phase" oder gar ein bestimmter Stil - wenn man von der Feinmalerei einmal absieht - lässt sich nicht ausmachen. Gelegentlich täuschen kräftige Farben eine gewisse Naivität vor, doch die wunderbaren Nachtgemälde oder Stilleben in eisiger Landschaft, die Bildzitate insbesondere aus Caspar David Friedrichs Gemälden zeugen von seiner altmeisterlichen Kunst. Ein Autodidakt gleichwohl, der nicht durch die Mühlen von kunstakademischer Ausbildung gedreht wurde - mit allen Nachteilen, die dies mit sich bringt, im Hinblick auf Teilhabe am Kunstbetrieb und Knüpfen von Seilschaften.
Wie Lavaurs selbst sagt: "Viel Zeit habe ich mit Absurdem vergeudet, um schließlich endgültig zu akzeptieren, dass ich nur ein Künstler bin und bleiben werde. Viele glauben oder denken, ich weiß viel, weil ich viel erlebt habe, aber ich sage: Ich weiß nichts." Ein echtes Künstlerleben offenbar, dessen Höhen und Tiefen ablesbar sind in seinem aufregenden Werk. Ein Muss in Friedenau!

Finissage am Sonntag, 10. Dezember 2006, 17.00 Uhr im Hotel Friedenau, Fregestr. 68.

Sanna von Zedlitz

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