Serie Orte und Plätze in
Schöneberg/Steglitz
Von Marina NaujoksEine wechselvolle
Geschichte hat dieses Haus in der Bergstr. 90, das 1908 also noch zur Kaiserzeit
eröffnet wurde, hinter sich. Stadtbäder erfüllten zwei Zwecke: Sie dienten der
Hygiene nicht jeder hatte eine Badewanne zu Hause, also ging man in die
öffentliche Badeabteilung und als erste Sportstätten "um die Ecke",
denn eine nach heutigen Maßstäben kleine Schwimmhalle gehörte immer dazu.
Der technische Aufwand war schon seinerzeit enorm: Ein eigener Brunnen mit einer Anlage,
die das Eisen aus dem Wasser filtern konnte, ein Kesselhaus, eine Wäscherei, sogar
Dienstwohnungen für das Personal, das diese Einrichtungen rund um die Uhr überwachen
musste, waren Voraussetzungen für einen reibungslosen Betrieb.
Erste Badende im Stadtbad Steglitz kurz nach Eröffnung,
Foto: Heimatverein Steglitz e.V.
Obwohl es damals eine öffentliche Diskussion gab, ob man nicht privaten Bädern zu sehr
Konkurrenz machen würde, entschloss man sich in der Gemeindeverwaltung Steglitz, den Bau
nach den Plänen des Gemeindebaustadtrates Blunck als öffentliche Einrichtung selbst
durchzuführen. Im Juli 1908 war die zunächst feierliche Einweihung, bei der die
Bademeister ihre Schwimmkunst zeigten, aber schon bald fast alle Teilnehmer ins Wasser
sprangen, dokumentiert von den anwesenden Fotografen.
Auch nach mehrfachen Umbauten in den dreißiger Jahren und nach dem Krieg erzählen
kunstvoll gestaltete Details vom vergangenen Wohlstand der Steglitzer Bürger. Besonders
bemerkenswert ist das Wandmosaik von "Puhl & Wagner", einer damals auf
diesem Gebiet renommierten Kunstwerkstatt, das eine Frauengestalt zeigt.
Die Schwimmhalle erinnert an einen Kirchenbau, denn man hatte keine Vorbilder für diese
neuen Bauaufgaben und wollte vielleicht auch die Ernsthaftigkeit, mit der Sport betrieben
wurde, betonen, im Gegensatz zum ewigen Spaßhabenwollen heute.
Wasseraufbereitungsanlagen unterliegen ständigem Verschleiß, denn immer noch muss
aufwändige Technik eingesetzt werden, wenn viele Menschen sich das (Bade-) Wasser teilen.
Im Gegensatz zu manchem Gerät, das im Zuge der Entwicklung immer leistungsfähiger und
gleichzeitig kostengünstiger wurde, scheinen die für einen Schwimmbadbetrieb
erforderlichen Einrichtungen immer anspruchvoller zu werden.
Im Frühjahr 2002 wurde das Bad aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Der
Liegenschaftsfond Berlin, der für die Vermarktung landeseigener Immobilien zuständig
ist, hat nach einer Ausschreibung das Gebäude an eine Bieterin, Frau Gabriele Berger,
verkauft, die mit ihrem schlüssigen Konzept überzeugte. Ihre langjährige Erfahrung mit
dem Bewegungsbad Marienfelde will sie bei diesem Projekt einbringen.
Für einen Euro wechselte das Haus seinen Eigentümer, allerdings mit der Auflage, wieder
ein Schwimmbad in den denkmalgeschützten Räumen zu betreiben. Damit sind sämtliche
Schwierigkeiten in einem Satz zusammengefasst, und das Vorhaben kostet Geld: 5,5 Millionen
Euro wurden geschätzt.
Bis 2008 soll der Umbau ausgeführt sein, vorher müssen jedoch nicht nur die alten
Wasser-, sondern auch alle verfügbaren Geldquellen aktiviert werden: Ein kleiner Beitrag
des interessierten Lesers ist durch den Kauf von Fliesen (auf denen der Name des Spenders
verewigt wird), ein großer durch den Kauf von Anteilen, die eine Gewinnbeteilung
versprechen, möglich. Näheres unter www.stadtbad-steglitz.de oder 030 / 797 480 28
Tag der offenen Tür im Stadtbad Steglitz, Foto: Rita
Maikowski
Bis es so richtig fließt und läuft, ist eine Zwischennutzung genehmigt worden, die sich
bereits als Bestandteil der Steglitzer Kulturszene zu etablieren beginnt: Theaterspiel im
wasserfreien Schwimmbecken, am 10.2.2006 wird die Premiere des Stücks "Woyzeck"
stattfinden. Das clubtheater-berlin wird hier zu Gast sein. Aber auch für Lesungen,
Konzerte und Kunstinstallationen entwickelt sich das Bad zu einem außergewöhnlichen
Rahmen.
Erster fester Bestandteil des zukünftigen Badbetriebes soll die Einrichtung eines Bistros
werden, bei dem alles, wirklich alles, das Gefühl vermitteln soll, man säße im
Schwimmbecken unter Wasser. Geplanter Eröffnungstermin ist der 1. April, der aber keine
scherzhaften Rückschlüsse auf das neue, fischige Amüsiergefühl signalisieren soll.
Stadtbad Steglitz
Bergstraße 90, 12169 Berlin
www.stadtbad-steglitz.de
Februar 2006 Stadtteilzeitung
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