Broken Flowers (USA 2005)
Gesehen im CINEMA am Walther-Schreiber-Platz
Buch und Regie: Jim Jarmusch, mit Bill Murray u.a.


Foto: www.filmstarts.de
Szene mit Larry Fessenden und Bill Murray, Foto: www.filmstarts.de

Manche Männer reden zuviel und manche Männer reden zu wenig, beides eine Plage. Bill Murrays Charaktere gehören zweifelsohne zu letzteren. Frauen, die mit solchen Männern zu tun haben, müssen gute Beobachterinnen sein und sich auf die Entschlüsselung von Körpersprache verstehen, um mitzubekommen, was gespielt wird. So geht es uns auch mit Don Johnston, dem Mann, den Bill Murray in dem Film "Broken Flowers" verkörpert. Scheinbar teilnahmslos nimmt er es hin, dass ihn seine Partnerin verlässt, ein schwacher Versuch, sie zurückzuhalten, scheitert an seiner Unfähigkeit, etwas zu sagen. Als sein Freund und Nachbar Winston ihn besuchen kommt, muß der sich die Situation selbst zusammenreimen, als die Frau nicht mehr da ist. Winston ist es dann auch, der die Initiative ergreift, als Don einen mysteriösen rosafarbenen Brief von einer alten Freundin erhält mit der Mitteilung, dass er einen neunzehnjährigen Sohn hat, geboren nach ihrer Trennung. Der Brief ist anonym, mehrere Frauen kämen als potenzielle Mütter infrage. Winston organisiert für Don die Reisen zu den früheren Freundinnen und schickt den scheinbar Widerstrebenden auf den Weg, seine Vergangenheit zu entschlüsseln und sein Leben neu zu ordnen.

Jim Jarmusch hat also wieder ein Roadmovie gedreht. War es in "Stranger than Paradiese" eine Gruppe junger Ungarn in den USA, die sich auf eine Reise ins Blaue begab und in "Mystery Train" u.a. ein japanisches Pärchen, das den Spuren von Elvis Presley nach Memphis, Tennessee folgte, erleben wir hier ein Amerika bewaldeter Hügel jenseits von endloser Weite und Weizenfeldern. Don Johnston durchquert liebliche Landschaften mit eingebetteten Häusern und sucht die Frauen auf, mit denen er vor zwanzig Jahren Liebesbeziehungen hatte. Winston hat ihm aufgetragen, auf die Farbe Rosa zu achten und auf Schreibmaschinen, auf denen der Brief möglicherweise geschrieben wurde. Sie werden zum Faden, zum rosa Faden durch die Geschichte. Er trifft bei den Verflossenen auf freudige Überraschung, auf Verwirrung, auf Ablehnung und Aggression. Aber keine hat einen Sohn.

Diese Begegnungen beginnen den Verschlossenen aufzurütteln, mit jeder weiteren Begegnung mit den Frauen seiner Vergangenheit bekommt die stoische Fassade mehr Risse. Wunderbar anzusehen, wie Bill Murray die beginnende Erschütterung mit Blicken und kurzen Gesten, einem Zucken des Mundwinkels, einer Verzögerung seines Schrittes darstellt.

Am Ende seiner Quest, seiner Suche nach der Wahrheit, ist Don wieder am Anfang angelangt und weiß nicht mehr weiter. Ist der junge Mann, der ihm unterwegs öfter begegnet ist, vielleicht der Sohn, der sich angeblich auf der Suche nach ihm befindet? Oder jener, der so auffällig langsam mit dem Auto an seinem Haus vorbeifährt und es aufmerksam beobachtet? Einen dritten, der ein rosa Bändchen als Talisman seiner Mutter am Rucksack trägt, verscheucht er mit der Unterstellung, dieser halte ihn wohl für seinen Vater. Gibt es diesen mysteriösen Sohn überhaupt? Alles ist möglich und nichts scheint wahr. Wer hat den Brief geschrieben? Vielleicht sogar Winston? Aber warum? Wenn es sein Ziel war, Don aus seiner Lethargie herauszuholen, dann wäre ihm das gelungen, Don ist nicht mehr derselbe. Vielleicht gibt es nun eine Chance für die Beziehung mit der Frau, die am Anfang der Geschichte weggegangen war und nun zurückgekehrt ist. Oder geht doch alles nur von vorne los?

Viele von Jim Jarmuschs Protagonisten befinden sich auf der erfolglosen Suche nach einem Ort, wo alles besser wird: "Man kommt an einem neuen Ort an, und alles sieht gleich aus." Alle suchen sie etwas, das ihrem Leben einen Sinn geben soll – so wie Don Johnston seinen fiktiven Sohn sucht. Wenn er ihn auch nicht findet, so hat ihn doch die Suche verändert: der Weg war das Ziel!

Für Jarmusch-Fans, aber auch andere Liebhaber epischer Geschichten, wieder ein Highlight.

Sigrid Wiegand

Z.Zt. (bis 8.2.) im: Nickelodeon, Sputnik Südstern, Tacheles (High End 54), Kino Kiste.


Februar 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis