Gesehen im CINEMA am
Walther-Schreiber-Platz
Buch und Regie: Jim Jarmusch, mit Bill Murray u.a.
Szene mit Larry Fessenden und Bill Murray, Foto: www.filmstarts.de
Manche Männer reden zuviel und manche Männer reden zu wenig, beides eine Plage. Bill
Murrays Charaktere gehören zweifelsohne zu letzteren. Frauen, die mit solchen Männern zu
tun haben, müssen gute Beobachterinnen sein und sich auf die Entschlüsselung von
Körpersprache verstehen, um mitzubekommen, was gespielt wird. So geht es uns auch mit Don
Johnston, dem Mann, den Bill Murray in dem Film "Broken Flowers" verkörpert.
Scheinbar teilnahmslos nimmt er es hin, dass ihn seine Partnerin verlässt, ein schwacher
Versuch, sie zurückzuhalten, scheitert an seiner Unfähigkeit, etwas zu sagen. Als sein
Freund und Nachbar Winston ihn besuchen kommt, muß der sich die Situation selbst
zusammenreimen, als die Frau nicht mehr da ist. Winston ist es dann auch, der die
Initiative ergreift, als Don einen mysteriösen rosafarbenen Brief von einer alten
Freundin erhält mit der Mitteilung, dass er einen neunzehnjährigen Sohn hat, geboren
nach ihrer Trennung. Der Brief ist anonym, mehrere Frauen kämen als potenzielle Mütter
infrage. Winston organisiert für Don die Reisen zu den früheren Freundinnen und schickt
den scheinbar Widerstrebenden auf den Weg, seine Vergangenheit zu entschlüsseln und sein
Leben neu zu ordnen.
Jim Jarmusch hat also wieder ein Roadmovie gedreht. War es in "Stranger than
Paradiese" eine Gruppe junger Ungarn in den USA, die sich auf eine Reise ins Blaue
begab und in "Mystery Train" u.a. ein japanisches Pärchen, das den Spuren von
Elvis Presley nach Memphis, Tennessee folgte, erleben wir hier ein Amerika bewaldeter
Hügel jenseits von endloser Weite und Weizenfeldern. Don Johnston durchquert liebliche
Landschaften mit eingebetteten Häusern und sucht die Frauen auf, mit denen er vor zwanzig
Jahren Liebesbeziehungen hatte. Winston hat ihm aufgetragen, auf die Farbe Rosa zu achten
und auf Schreibmaschinen, auf denen der Brief möglicherweise geschrieben wurde. Sie
werden zum Faden, zum rosa Faden durch die Geschichte. Er trifft bei den Verflossenen auf
freudige Überraschung, auf Verwirrung, auf Ablehnung und Aggression. Aber keine hat einen
Sohn.
Diese Begegnungen beginnen den Verschlossenen aufzurütteln, mit jeder weiteren Begegnung
mit den Frauen seiner Vergangenheit bekommt die stoische Fassade mehr Risse. Wunderbar
anzusehen, wie Bill Murray die beginnende Erschütterung mit Blicken und kurzen Gesten,
einem Zucken des Mundwinkels, einer Verzögerung seines Schrittes darstellt.
Am Ende seiner Quest, seiner Suche nach der Wahrheit, ist Don wieder am Anfang angelangt
und weiß nicht mehr weiter. Ist der junge Mann, der ihm unterwegs öfter begegnet ist,
vielleicht der Sohn, der sich angeblich auf der Suche nach ihm befindet? Oder jener, der
so auffällig langsam mit dem Auto an seinem Haus vorbeifährt und es aufmerksam
beobachtet? Einen dritten, der ein rosa Bändchen als Talisman seiner Mutter am Rucksack
trägt, verscheucht er mit der Unterstellung, dieser halte ihn wohl für seinen Vater.
Gibt es diesen mysteriösen Sohn überhaupt? Alles ist möglich und nichts scheint wahr.
Wer hat den Brief geschrieben? Vielleicht sogar Winston? Aber warum? Wenn es sein Ziel
war, Don aus seiner Lethargie herauszuholen, dann wäre ihm das gelungen, Don ist nicht
mehr derselbe. Vielleicht gibt es nun eine Chance für die Beziehung mit der Frau, die am
Anfang der Geschichte weggegangen war und nun zurückgekehrt ist. Oder geht doch alles nur
von vorne los?
Viele von Jim Jarmuschs Protagonisten befinden sich auf der erfolglosen Suche nach einem
Ort, wo alles besser wird: "Man kommt an einem neuen Ort an, und alles sieht gleich
aus." Alle suchen sie etwas, das ihrem Leben einen Sinn geben soll so wie Don
Johnston seinen fiktiven Sohn sucht. Wenn er ihn auch nicht findet, so hat ihn doch die
Suche verändert: der Weg war das Ziel!
Für Jarmusch-Fans, aber auch andere Liebhaber epischer Geschichten, wieder ein Highlight.
Sigrid Wiegand
Z.Zt. (bis 8.2.) im: Nickelodeon, Sputnik Südstern, Tacheles (High End 54), Kino Kiste.
Februar 2006 Stadtteilzeitung
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