Tausendfach getanzt
Schulprojekt Tanzzeit – Tanz in Schulen


Foto: Marion Borris
Foto: Marion Borriss

Unter Aufbietung aller schöpferischen Kräfte wurde am 21.01.2006 die sechsmonatige Pilotphase des Schulprojektes TanzZeit – Zeit für Tanz an Schulen zu einem umjubelten Abschluss gebracht. Hunderte von Eltern, Pädagogen und Künstlern sahen die Leistungen von über 400 Kindern aus 20 Klassen – schade, dass nicht alle 1.000 Kinder aus den 37 teilnehmenden Klassen Platz im Kulturzentrum "Pumpe" in der Lützowstraße hatten. Die jeweils einstündigen Vorführungen gingen wie im Flug vorbei, und es war nicht einfach, auch nur ein Stehplätzchen im überfüllten Zuschauerraum zu ergattern.

Es ist das Verdienst der neapolitanischen – und Friedenauer! – Tänzerin Livia Patrizi, Tanz in den Regelunterricht von 20 Schulen in ganz Berlin gebracht zu haben. Finanziell war das Projekt auf höchstens ein Dutzend Klassen angelegt gewesen, doch niemand brachte es übers Herz, die zwei Dutzend weiteren Klassen abzuweisen. Doch inzwischen stehen schon wieder 50 neue Klassen um Unterricht Schlange – wie soll das logistisch bewältigt werden? Die Tanzkünstler sollen für die Arbeit mit Kindern fortgebildet werden, Verwaltungsaufgaben stehen an, Öffentlichkeitsarbeit muss geleistet werden, Sponsoren gesucht – bisher wird das alles von dem enormen Enthusiasmus der unterrichtenden Künstler und – was die reinen Unterrichtskosten angeht – zu einem großen Teil von Eltern und schulischen Fördervereinen selbst getragen. Eine Teilfinanzierung vom Kultursenat gibt es noch für 2006. Aber ist hier nicht der Bildungssenat gefragt? Denn letztlich geht es um ein hohes Ziel: Die Einführung der Tanzkunst als regulären Unterrichtsinhalt, verbunden mit professionellem Tanzunterricht, Besuch von Tanzvorführungen und der eigenen Aufführung einer Choreographie vor einem größeren Publikum.

Ja, werden viele sagen, aber wozu denn gleich in den Vormittagsunterricht? Ist Mathe nicht viel wichtiger?

Kulturelle Bildung – denn darum geht es hier – ist für viele Berliner Schüler ein knappes Gut. Aus ökonomischen oder kulturellen Gründen wird die im Freizeitbereich angebotene Vielfalt nur von einem Bruchteil der Bevölkerung wahrgenommen. Geldmangel, Sprachbarrieren und aus Unkenntnis erwachsendes Desinteresse verhindern den Zugang vieler Kinder zur Kunst in ihren unterschiedlichen Ausprägungen, sei es Literatur, Musik, Theater oder eben Tanz. Deshalb ist es das Anliegen der TanzZeit-Arbeit, zu den Kindern zu kommen, anstatt auf ihr Erscheinen zu warten. Oder gibt es ein Kind, das sich freiwillig nachmittags mit Mathebüchern versorgt?
Na gut, sagen jene Skeptiker weiter, aber würde eine Projektwoche oder ein Workshop nicht auch genügen?

Gewiss, in nur wenigen Tagen können Kinder ganz erstaunliche künstlerische Leistungen vollbringen, das haben mehrtägige Theaterprojekte schon gezeigt. Doch hier geht es um Nachhaltigkeit, um einen Wandel, der sich langfristig auch auf die Leistungen der Schüler im Mathematikunterricht auswirken könnte.

Durch den Tanz, die neue Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten, die Beherrschung des eigenen Körpers, durch die Überwindung von Sprachlosigkeit erfahren die Kinder einen Zuwachs an Selbstbewusstsein, den ein eigener Auftritt noch fördert. Hier können Kinder vielleicht zum ersten Mal die Erfahrung machen, dass Leistung und Anstrengung zu erstrebenswerten Resultaten führen.
Tanz in der Gruppe erzieht zu gegenseitiger Rücksichtnahme, führt zu Respekt dem Mittänzer gegenüber und stärkt den Klassenzusammenhalt. Dadurch wird die Unterrichtsatmosphäre spürbar besser. Die Kinder können sich besser konzentrieren und haben weniger Scheu voreinander, weil sie sich auf einer anderen Ebene als zuvor kennengelernt haben. Es ist anzunehmen, dass die Bereitschaft zu gegenseitiger Hilfe auch in anderen Schulfächern wachsen wird.

Schon jetzt besteht bei aller Arbeitslosigkeit ein enormer Fachkräftemangel in unserem Land. Doch Tanz, diese Kombination aus Körpererfahrung, Selbstbeherrschung, Musik und Darstellendem Spiel, künstlerisch und ästhetisch anspruchsvoll umgesetzt, bildet selbstbewusste, sozial kompetente und leistungsstarke Menschen heran. Dieses Potenzial steckt in jedem Kind! Wir sollten uns allen eine Chance geben, dieses Tal der Tränen aus eigener Kraft zu verlassen. Ein Freundeskreis ist schon geplant.

www.tanzzeit-schule.de
Infoline TanzZeit: 0160/603 44 45 (Cornelia Baumgart, Pädagogische Leitung/Organisation)
Spendenkonto 32 52 401,
BLZ 100 205 00 bei der
Bank für Sozialwirtschaft. Spendenbescheinigung möglich.

Sanna v. Zedlitz

Februar 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis