Ökologischer Tourismus
Die sanfte Begegnung mit den Riesen

"Sanfter Tourismus" - das hat wohl jeder schon einmal gehört, der seinen Urlaub nicht nur auf dem heimischen Balkon verbringt. Aber: wie verhalte ich mich als Tourist eigentlich ökologisch richtig? Sicherlich muss man dafür nicht drei Wochen ausschließlich schlapp am Strand dösen - Aktivitäten sind auch im Urlaub wichtig und erwünscht - aber sie sollten im Einklang mit und ohne unnötige Beeinträchtigung der am Urlaubsort heimischen Fauna und Flora geschehen.

Den rasantesten Zuwachs in der Tourismusbranche verzeichnete in den letzten zehn Jahren das Whale Watching - das Beobachten von Walen und Delfinen in ihrem natürlichen Lebensraum. Mehr als 10 Millionen Menschen in über 80 Ländern der Erde nehmen inzwischen jährlich am Whale Watching teil. Diese Zahlen dokumentieren die Faszination, die die Begegnung mit den seit Ur-Zeiten die Meere bewohnenden Säugetieren auslöst - für viele Reisende ist es das beeindruckendste Urlaubserlebnis überhaupt. Aber der ökologisch bewusste Tourist muss sich auch fragen, ob dieses, ihn so beglückende Abenteuer, nicht einseitig ist und nicht vielleicht doch den sensiblen Riesen schadet.

Diesem Problem widmet sich seit acht Jahren der gemeinnützige Verein M.E.E.R. e.V. mit Sitz in der Bundesallee. Einer der Gründer, der diplomierte Meeresbiologe Fabian Ritter, fasst das Konzept des Vereins zusammen: Die sinnvolle Kombination von Umweltschutz, Forschung und Tourismus. Die Arbeit des Vereins unterstützen mittlerweile rund 500 Fördermitglieder, die 15 aktiven Mitglieder operieren vom Vereinssitz in Schöneberg aus deutschlandweit und international, mit Schwerpunkt auf La Gomera. Das Meer vor der Kanareninsel beherbergt eine Vielfalt von Walen und Delfinen, die kaum einen Vergleich kennt. Zu beobachten sind die heimischen Großen Tümmler, Grindwale, Zügeldelfine und Rauzahndelfine, saisonal der gewöhnliche Delfin und große Bartenwale, sporadisch kommen Schnabelwale und Pottwale vor. Die vielfältigen Populationen sind u.a. bedingt durch das reiche Nahrungsvorkommen in den Gewässern vor den kanarischen Inseln. Von den rund 80 Arten weltweit sind 26 in dieser Region zu sichten. M.E.E.R. e.V. arbeitet auf der Insel mit einem lokalen Whale Watching Unternehmen zusammen, dessen Boote werden sowohl für touristische als auch für Forschungszwecke genutzt. Die Teilnehmer der Touren beobachten nicht nur, sondern werden von Experten umfassend informiert.

Global denken - lokal handeln, dieser Gedanke führte zu der Entwicklung des Projekts M.E.E.R. La Gomera, das touristisches Whale Watching mit wissenschaftlicher Forschung und Öffentlichkeitsarbeit verbindet und ergänzt. 2001 wurde dieses Projekt des Schöneberger Vereins mit der internationalen Umweltauszeichnung "Tourismus und Umwelt" des Deutschen Reise-büro- und Reiseveranstalterverbandes geehrt und als herausragendes Beispiel für umweltverträglichen Walbeobachtungstourismus gelobt.

Was vor der Küste von La Gomera Mensch und Tier ökologisch verträglich zusammenbringt, ge-rät andernorts leider teilweise völlig aus den Fugen. Der Lebensraum von Walen und Delfinen wird durch unsensibles Massen-Sightseeing stark beeinträchtigt. Die Tiere werden durch die unablässigen akustischen und körperlichen Bedrohungen in ihrem natürlichen Lebensrhythmus und -raum gestört und suchen sich gezwungenermaßen andere Regionen, die ihnen aber nicht immer ideale Lebensbedingungen bieten. Rückgang der Population durch Verdrängung ist die Folge. Verschmutzung, Überfischung und Erwärmung der Meere tun ihr übriges, nur daran kann der einzelne Tourist wenig bis gar nichts ändern. Aber eine Sensibilität für seine Aktivitäten kann und sollte er entwickeln, d.h. wo immer auf der Welt er Wale und Delfine beobachten möchte - er sollte sich über Einzelheiten der angebotenen Touren informieren, zum Beispiel, ob es einen Verhaltenskodex für die Teilnehmer gibt und zwar nicht nur zu deren Schutz sondern auch, um den Lebensraum der Tiere so gering wie möglich zu beeinträchtigen. Es gibt Populationen, die sich über Besuch regelrecht zu freuen scheinen, wie zum Beispiel die Zügeldelfine, aber es verhält sich auch hier wie bei uns: es gibt ein "zuviel". Die Anzahl der Touren, Boote und Touristen ist ein Kriterium für "sanftes" oder "un-sanftes" Whale Watching. Wird ein Unternehmen von einem Umweltschutzverein unterstützt oder ist Forschung integriert, lässt das auf einen verantwortungsbewussten Anbieter schließen.

M.E.E.R. e.V. sendet von dem lokalen Projekt auf La Gomera weltweite Impulse für einen sensiblen Umgang mit Whale Watching. Seit drei Jahren ist Fabian Ritter Mitglied der deutschen Delegation beim Wissenschaftsausschuss der IWC (Internationale Walfangkommission). Die wissenschaftlichen Forschungen des Schöneberger Vereins werden in Fachzeitschriften veröffentlicht und auf internationalen Konferenzen und Workshops präsentiert. Das aktuelle Projekt: Der Aufbau eines, fast ausschließlich aus Spenden finanzierten, Whale-Watching-Informationszentrums auf La Gomera, das Touristen und Einheimischen Verständnis für und Einblicke in die Lebenswelt der eindrucksvollen Meeresriesen vermittelt.

Informationen bei Fabian Ritter
Tel. 85 07 87 55, www.m-e-e-r.de
Taschenbuch: "Wale beobachten", Autor Fabian Ritter, Conrad Stein Verlag

Rita Maikowski

Juli 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis