Menschen in der VHS Tempelhof-Schöneberg
Michael Lang

Alles in allem verläuft mein Leben eher unspektakulär. Seit 23 Jahren verbringe ich meine Tage vor dem Bildschirm. Ich bin selbst schuld, es war meine Entscheidung. Ich hätte Architekt werden können oder Seemann oder Reporter. Der Siegeszug der EDV hatte begonnen. Die Zukunft gehöre dem Computer, sagte der Berufsberater. Ich studierte Informatik und wurde Programmierer.

Das war vor 23 Jahren, seither sitze ich vor dem Bildschirm. Und denke nach - über die Steuerung von Anlagen, die Berechnung von Zinsen oder die Verwaltung von Immobilien. Der Rücken wird krumm, die Augen werden schwach. Mein Horizont ist ein Bildschirm, meine Sprache ist C++, meine Gedanken sind Algorithmen. Ich sitze und denke. Die Jahre vergehen.

Manchmal schaue ich aus dem Fenster. Dort ist Berlin. Das Fenster ist größer als der Bildschirm. Berlin ist interessanter als Algorithmen. Es ist voller Leben. Als Reporter wäre ich jetzt draußen. Mitten im Leben. Ich lauschte und beobachtete, durchstreifte die Stadt und spräche mit Menschen.

Vor einigen Monaten las ich eine Anzeige: Kiezreporter gesucht. Ich entdeckte die Stadtteilzeitung. Jetzt bin ich Reporter. Es ist ein Null-Euro-Job, aber der Spaß stimmt. Wir sind eine nette Redaktion. Die Stadtteilzeitung schreibt über Kultur. Ich bin Kunstbanause. Die Fußball-WM stand vor der Tür. Meine Kindheit verbrachte ich auf dem Bolzplatz in einem Dorf in Württemberg. In der Redaktion sind die Fußballfans eine Randgruppe, die aus mir besteht. So wurde ich zum Fußball-Experten unserer Zeitung.

Am 10. Juli ist die Fußball-WM vorbei, dann suche ich mir neue Themen. Darauf freue ich mich. Immer nur Fußball ist fast wie immer nur Programmieren. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und einen vergnüglichen Tag!

Juli 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis