Orte und Plätze in Schöneberg/Steglitz
Auf nach Samoa!
Wenn es für die Südsee nicht reicht: Das Südgelände

Wer den Pazifik erkundet, stößt immer wieder auf Inseln und Atolle. Neukaledonien schiebt sich keilförmig zwischen dem 20. und 22. Grad südlicher Breite in die See. Die gleiche Form hat Samoa. Nein, nicht die Inselgruppe, sondern die Kleingartenkolonie Samoa auf halber Strecke zwischen Priester- und Riemenschneiderweg. Der Name drückt seit über 80 Jahren Sehnsucht nach fernen Ländern und Neuanfang aus, auch wenn das Namensgebungsverfahren (einziger Hinweis: Samoa war von 1900-1914 deutsche Kolonie) nirgendwo mehr dokumentiert ist.
Samoa ist nur eine Kleingartenkolonie von sechsundzwanzig auf dem Südgelände, das damit das größte zusammenhängende Kleingartengelände in Berlin ist. Es wirkt wie eine eigene Ortschaft und erstreckt sich zwischen Vorarlberger Damm, Riemenschneider- und Prellerweg. Östlich begrenzt wird es durch den Hans-Baluschek-Park entlang der Bahntrasse für die S-Bahn, demnächst auch für die Fernbahn. Einmal im Gelände eingetaucht, passiert man auf schnurgeraden Wegen eine lange Reihe Sommerhäuschen, besser gesagt Lauben, in unverwechselbarem Stil und fantasievoll angelegte Gärten.
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Reges Vereinsleben hält die Gemeinschaften zusammen. Primär widmet sich der "Laubenpieper" dem Wachsen und Gedeihen seiner Pflanzen. Fachvorträge in der Winterzeit unterstützen sein Bemühen. Vereinshäuser in den Kolonien, teilweise mit Ausschank, zeugen jedoch auch vom geselligen Beisammensein. Übrigens, es gibt schon viele Parzellenpächter ausländischer Herkunft, die offensichtlich keine Berührungsangst mit deutschen Gartenzwergen haben und mit ihren Familien das "Laubenpieperleben" genießen.

Urlaub im eigenen Garten ist wieder ein Thema in Zeiten, wo das Reisen für Familien unerschwinglich geworden ist. Rund 500 Euro Kosten verursacht so eine Gartenparzelle im Jahr. Das Sommerbad am Insulaner, der Naturpark Schöneberger Südgelände mit geschützten Kleinbiotopen und Relikten aus der großen Zeit der Eisenbahn (man beachte den Wasserturm!) sowie die Sportanlagen am Vorarlberger Damm ergänzen das Freizeit- und Erholungsangebot in unmittelbarer Nähe.

Die Verbandskantine "Zum Bunker" mitten im Gelände erinnert mit ihrem Namen daran, dass hier nicht kontinuierlich eine grüne Oase war. Um 1900 verkauften die Schöneberger "Millionenbauern" ihre Äcker so gewinnbringend, dass der Wortteil "Million" nicht näher erklärt werden muss. Es entstanden 31 Kolonien mit ca. 7000 Kleingärten (heute sind es knapp 3000). "Freiflächen" weckten immer schon Begehrlichkeiten bei Investoren. So rückte die Bebauung am westlichen Rand immer näher heran. Selbst der so fortschrittliche Stadtbaurat von Schöneberg, Martin Wagner, ließ sich dazu hinreißen, das Gartengelände um 1920 bebauen zu wollen. Das Projekt scheiterte, er nahm seinen Hut und fiel trotzdem die Treppe nach oben: Fortan war er für ganz Berlin zuständig.

1920 wurde der Bezirksverband der Kleingärtner Schöneberg-Friedenau e. V. als gemeinnützige Organisation gegründet. Damit wurden die Kolonien zumindest unter einem Dach verwaltet. Doch 1935 war das friedliche Leben schon wieder vorbei: Bäume wurden gefällt, Parzellen geräumt. Die Planung Albert Speers für die Reichshauptstadt "Germania" sah hier die Nord-Süd-Achse vor. Der Bahnhof Süd-kreuz, vormals General-Pape-Straße, steht fast genau an der Stelle, wo seinerzeit der monumentale Südbahnhof vorgesehen war.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Kleingärten für die Selbstversorgung der Bevölkerung wieder besonders wichtig. Die alte Nutzung wurde wieder hergestellt. Etwas Hin und Her noch in den siebziger Jahren, als hier ein Güterbahnhof entstehen sollte, bis sich auch bei der Verwaltung die Einsicht durchsetzte, dass diese Flächen für das Stadtklima unverzichtbar sind. In Kombination mit den schon erwähnten Parkanlagen Naturpark und Hans-Baluschek-Park entstand ein Ensemble, das auch dem externen Besucher offen steht. Auf nach Samoa!

Marina Naujoks

Juni 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis